Zeitmaschine: Faszination der Vergänglichkeit

15.3.2018, 13:27 Uhr
Hans-Peter Singer, Grafikdesigner und Künstler in Weisendorf, mit einem seiner Werke, das bereits 1988 tragendes Bild einer Zeitungsgeschichte war (links): Es zeigt ihn selbst und eine Schaufensterpuppe in seinem Garten. Den Verfall hielt er mit der Kamera fest. 2018, 30 Jahre später, stellt sich der Künstler erneut neben sein Werk, diesmal mit der Kamera dokumentiert von unserem Fotografen André De Geare.

© Fotos: André De Geare Hans-Peter Singer, Grafikdesigner und Künstler in Weisendorf, mit einem seiner Werke, das bereits 1988 tragendes Bild einer Zeitungsgeschichte war (links): Es zeigt ihn selbst und eine Schaufensterpuppe in seinem Garten. Den Verfall hielt er mit der Kamera fest. 2018, 30 Jahre später, stellt sich der Künstler erneut neben sein Werk, diesmal mit der Kamera dokumentiert von unserem Fotografen André De Geare.

Ein dunkles Gemälde mit schwerem Thema hängt im Wohnzimmer von Hans-Peter und Marion Singer. Es zeigt einen Soldaten in Kampfmontur mit Gasmaske und Helm, zeitlos gültig, erschreckend präsent. "Das ist nicht von mir, sondern von Dieter Kleppsch", klärt Hans-Peter Singer den Betrachter auf und fügt an: "Ich habe es damals aus dem Schutt gezogen . . ." Die Geschichte des Offenen Ateliers in Erlangen mit Maler Pinsl, die Zusammenarbeit mit Dieter K. Annaberger, die Gründerszene um die erste Zeit in der Blauen Traube von Joe und Rita Bretting in Haundorf – alles wird mit einem Schlag lebendig.

Namen sind Nachrichten. Sobald der Mensch eine längere Vergangenheit hat, tut sich mit dem "name dropping" oftmals eine Welt auf. Hans-Peter Singer aus Buckenhof, Werbegrafiker, Musiker, Digitalkünstler, ist ein wahrer Protagonist der 1968er Zeit, verwandt und bekannt mit einem Heer von Menschen, die diese Zeit auf lokaler Ebene mitprägten. 90 Leute, zu denen Musiker aus Bands wie "The Rovers" oder "Bentox" zählen, in der Kulturszene markante Figuren wie Klaus Karl-Kraus und Winni Wittkopp, unterhalten einen Musikerstammtisch, um den künstlerischen Austausch nicht abreißen zu lassen. HP Singer ist mittendrin.

Inspiration, Erinnerung, kreativer Fundus: Ein nur kleiner Teil der Foto-Galerie von Hans-Peter Singer, hauptsächlich aus analoger Zeit, hängt in seinem Arbeitszimmer. Von jeder seiner Reisen nach Afrika oder Asien brachte der Fotograf Tausende von Bildern mit, in digitaler Form.

Inspiration, Erinnerung, kreativer Fundus: Ein nur kleiner Teil der Foto-Galerie von Hans-Peter Singer, hauptsächlich aus analoger Zeit, hängt in seinem Arbeitszimmer. Von jeder seiner Reisen nach Afrika oder Asien brachte der Fotograf Tausende von Bildern mit, in digitaler Form.

Nun, da die 1968er in ihr siebtes Lebensjahrzehnt einwandern, wird allenthalben Rückschau gehalten – doch auch der Blick nach vorn gerichtet. Denn die Entwicklung der Menschheit ist und bleibt ein großes Thema dieser Generation, auch Singers. Dieses hat er in einer großen Vielzahl von Arbeiten mit Puppen veranschaulicht – die gequälte Masse Mensch darstellend, die Gewalt an den Verdammten dieser Erde, die Unterdrückung, der Farbige, Kinder, Frauen weltweit noch immer ausgesetzt sind, den Glauben an eine Entwicklung zum Licht erschütternd: das Thema der vielfältig lesbaren Ausstellung (R)Evolution.

Metamorphosen sind also ein Folgethema des Künstlers. Ein großformatiges Foto zeigt ihn in jungen Jahren, neben ihm im Profil eine Schaufensterpuppe. Deren langsamen Verfall beobachtet und dokumentiert er – eines seiner ausdrucksstarken Bilder.

Neue Werke stellen Portraits von Frauen dar, die der Welt trotzig die Zunge blecken. Es sind die Nichte Ulla und Annette Fihlon, die sich via Facebook als Fotomodell zur Verfügung stellte.

In einer künstlerischen Kollaboration inszenierte er sie mit der Auryn-Schlange aus Michael Endes "Unendlicher Geschichte" im Profilbild. Das Tier symbolisiert das in vielen Kulturen verbreitete archaische Motiv einer Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt.

"Wie bist du denn drauf?" musste sich Singer oft fragen lassen, angesichts von Gewaltbildern im Wohnzimmer, der frühen Auseinandersetzung mit der Apartheid in Südafrika oder dem Vietnamkrieg, der Konfrontation mit Tschernobyl und nun Erdoðan und Trump. Sein "Wahnsinns-Optimismus" habe ihn wahrscheinlich gerettet, vermutet Singer. Und auf der wirtschaftlichen Seite: Seine Einnahmen durch den Grafikerberuf, mit dem er seine Kunst finanzierte.

Biografien zahlreicher Ikonen der Rockmusik finden sich in im Interieur der Singers, die Bilder "als wir jung waren, unser erster Trip nach USA", Haus und Garten sind ein Atelier mit Erinnerungsstücken. Sie sprechen am Ende vor allem davon, wie der Künstler es sieht: "Der Traum von Gerechtigkeit darf nicht sterben."

 

Hans-Peter Singer (hps) ist Teil der Künstlergruppe "AndersArtig", zu der auch Irene Hetzler (Malerei und Organisation), Roman Krelina aus Most in Tschechien (Malerei, Plastik, Skulptur) und Carolin Gugel (Plastik, Skulptur) zählen, die im November 2017 die vielbeachtete Ausstellung (R)Evolution im KunstRaum von Herzogenaurach zeigte. Singer, Grafiker, Zeichner, Maler und Fotodesigner, ist seit 1974 Mitglied im Kunstverein Erlangen, war Mitglied der "Gruppe +"

Die Ausstellung (R)Evolution soll im Lauf der nächsten Monate und Jahre in Chomutov, früher Komotau in Böhmen und Herzogenaurachs kroatischer Partnerstadt Nova Gradiska, gezeigt werden. Singer fotografiert seit frühester Kindheit, studierte Illustration und Design in München und Amsterdam und war 1974 eines der Gründungsmitglieder des "Offenen Ateliers" in Erlangen. Seit 2017 ist er Mitglied in Kunstverein Herzogenaurach.

Die Vernissage der Schau (R)Evolution, in der der bildende Künstler Walter Melcher aus Wolfsberg mitwirkt und – wie bereits in Herzogenaurach mit Michael Ort – auch ein Musiker, findet am 20. September aus Anlass der seit 1968 bestehenden Partnerschaft zwischen Herzogenaurach und Wolfsberg statt.

Keine Kommentare