Kanus auf der Wiesent: Naturschützer schlagen Alarm

6.8.2018, 05:47 Uhr
Kanus auf der Wiesent: Naturschützer schlagen Alarm

© Ralf Rödel

Die Fronten sind verhärtet: "Die Schifffahrtsverordnung wird missachtet und ignoriert, der Patient Wiesent liegt auf der Intensivstation. Ein Kollaps ist nur noch eine Frage der Zeit", schreibt Ulrich Buchholz, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz (BN), in einem offenen Brief.

Die Naturschützer sehen jetzt schon etliche Arten bedroht: Nur mehr zwei Paare der seltenen Eisvögel würden überhaupt noch in dem Flusstal brüten. Schuld an dem Rückgang würden unter anderem die Kanufahrer tragen, deren Saison zur Brutzeit beginnt.

Einig sind sich der BN und die Behörden in der Bewertung der ökologischen Bedeutung des Talraums: "Das Wiesenttal ist eine der schönsten und artenreichsten Flusslandschaften unserer bayerischen Heimat, die zu erhalten unser aller Anstrengung erfordert," heißt es in einer Broschüre der Regierung von Oberfranken.

Mehr Aufwand für Naturschutz

Um das als FFH-Gebiet ausgewiesene Naturerbe zu schützen, müsse mehr Aufwand betrieben werden, ermahnt der BN-Chef den Forchheimer Landrat. Hermann Ulm (CSU) sieht sich zwar ebenfalls als Kämpfer für eine intakte Landschaft, verweist aber auf rechtliche Vorgaben: Bis 2020 regele die Schifffahrtsgenehmigung den Betrieb der drei örtlichen Kanuverleiher. Diese stellen immerhin 70 Prozent aller auf der Wiesent zwischen Behringersmühle und Ebermannstadt verkehrenden Boote.

Den restlichen 30 Prozent, also den privaten Kanu- und Kajakfahrern, sei schwer beizukommen. Sie müssten sich lediglich an die freigegebenen Zeiten halten — zwischen neun und 17 Uhr darf gepaddelt werden, 16 Stunden am Tag muss Ruhe auf dem Wasser herrschen. Vergangene Woche kam es zur ersten Anzeige der Saison, als die herbeigerufenen Polizeibeamten einen Kanuten um 19 Uhr aus dem Wasser bitten mussten.

Kaum mehr Eisvögel

"Wir möchten, dass die Natur sich erholen kann und dass der Mensch sich in vernünftigen Bahnen ebenfalls erholen kann", fasst der Landrat seine Position zusammen. Ob das momentan der Fall ist, daran scheiden sich die Geister: Dieter Preu vom Naturpark Fränkische Schweiz räumt ein, dass es zu den Stoßzeiten Engpässe auf dem Fluss gibt. "Durch weiter entzerrte Zeiten der Kanuverleiher wäre eine Verbesserung möglich." Rund 19 000 Boote mit insgesamt 28 000 Paddlern befahren Jahr für Jahr die Wiesent. Wobei sogenannte Stechpaddel, also tief ins Wasser reichende Antriebshilfen, ohnehin ab einem bestimmten Pegelstand verboten sind.

Dem BN reichen die Regelungen auch deshalb nicht aus, weil zu wenig kontrolliert werde. Diesen Vorwurf weist das Landratsamt zurück, es gebe Naturschutzwächter die regelmäßig patrouillieren würden. Landrat Ulm räumt aber ein, für Hinweise vonseiten der Naturschützer dankbar zu sein.

Gutachten soll Klarheit schaffen

Langfristig, also ab der Saison 2021, soll ein derzeit entstehendes Gutachten für Klarheit sorgen, wie die Wiesent künftig von Flusswanderern befahren werden darf. BN-Kreischef Buchholz zweifelt die Aussagekraft des Gutachtens bereits jetzt an. "Die Frage ist doch, von welchem Normalzustand ausgegangen wird?" Notfalls müsse über den Klageweg nachgedacht werden.

Die Tourismus-Chefin der Fränkischen Schweiz, Sandra Schneider, hofft, dass es zu einer einvernehmlichen Lösung kommt. Ihre Region, in der immerhin Jahr für Jahr eine Million Gästeübernachtungen gezählt werden, lebt vom naturnahen Tourismus. Das Kanu- und Kajakfahren ist ein wichtiger Eckpfeiler, ebenso wie die Kletter- , Mountainbike- und Wanderangebote.

Wichtiger Eckpfeiler

Für die örtlichen Kanuverleiher geht es derweil um die Existenz: Tobias Töpfer vom Verleiher "Leinen los" findet die Debatte um Naturschutz im Wiesenttal zwar grundsätzlich richtig, nur die aus seiner Sicht einseitige Kritik vermag er nicht nachzuvollziehen: "Wenn die Landwirte ihre Maisfelder kräftig düngen und ein Starkregen kommt, dann fließt viel schmutziges Wasser in die Wiesent." Auch darüber, dieser Meinung sind auch viele andere, müsse gesprochen werden. Ebenso wie über die zunehmende Verschlammung des Gewässers, das durch Sandeinträge aus dem Oberlauf mit verursacht wird.

Über die Frage, wie viele Kanufahrer verträgt ein Fluss, wird übrigens ebenso rege entlang der Altmühl debattiert — dem zweiten großen Kanurevier in der Region. Bootsbetrieb herrscht schließlich auch noch auf der Pegnitz. An allen drei Flüssen geht es um einen tragfähigen Kompromiss zwischen naturnahem Tourismus und Naturschutz.

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