"Klar nachvollziehbar": Bierexperte erklärt Kitzmann-Aus

23.10.2018, 06:00 Uhr

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NZ: Herr Raupach, vor allem Erlanger Bierfreunde waren vom Verkauf der Kitzmann-Brauerei Ende September völlig überrascht. Was ist da passiert?

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Markus Raupach: "Grundsätzlich angebahnt hat sich das sicher schon länger. Was tatsächlich nicht so schön war, war die Kommunikationspolitik der Geschäftsleitung. Der Inhaber hat sicher nicht erst am Vorabend gewusst, dass das passieren wird. Aber es hat davor Jahre, wenn nicht Jahrzehnte keine Investitionen in die Brauerei gegeben. Inhaber Peter Kitzmann hat ja auch keine Kinder, denen er das Unternehmen hätte vererben können. Das Grundstück hat hingegen einen Riesenwert mitten in der Stadt, und aktuell herrscht gerade für solche Premium-Immobilien eine Hochphase. Es ist also sicher clever, jetzt zu verkaufen, da er offensichtlich auch ein sehr gutes Angebot von der Kulmbacher Brauerei bekommen hat. Wer weiß, ob die ihm in fünf Jahren noch was für seine Brauereirechte bezahlt hätten? Kurz gesagt: Aus der rein wirtschaftlichen Sicht eines Geschäftsmannes ist der Verkauf klar nachvollziehbar. Schwierig waren Art und Zeitpunkt der Kommunikation."

Könnten Sie sich vorstellen, dass der Grundstücksverkauf die treibende Kraft gewesen sein könnte und der Verkauf der Braurechte eher Beiwerk?

Raupach: "So weit sich mir das darstellt, haben die beiden Dinge nichts miteinander zu tun. Es ist im Grunde aber egal: Dieses Grundstück in Erlangen kann man immer sofort verkaufen, es war also keine Überraschung, dass sich schnell eine Investorengruppe gefunden hat. Ich denke, wirklich ausschlaggebend war das Kaufangebot durch die Kulmbacher."

Wie sind in Ihrer Wahrnehmung die Reaktionen aus der Brauer- und Bierszene auf den Verkauf?

Raupach: "Nachdem Kitzmann weder Konkurs gegangen ist noch Opfer einer feindlichen Übernahme wurde, ging jetzt kein großer Aufschrei durch die Branche. Aber schade finden es nicht wenige. Als sehr unschön wird die Situation für die Mitarbeiter empfunden, wobei es wohl schon eine Reihe von Jobangeboten durch andere Brauereien gibt. Das ist ein gutes Zeichen, finde ich. Auch die vorher ausgebliebenen Investitionen sind registriert worden. Das sind, wie gesagt, immer Anzeichen dafür, dass es irgendwann mit einer Brauerei nicht mehr weitergeht. Es gibt aber durchaus auch Stimmen, die Kitzmanns Handeln nachvollziehbar finden: Zum richtigen Zeitpunkt Kasse machen und sich sorgenfrei zur Ruhe setzen."

Gibt es denn so etwas wie eine kritische Größe für eine Brauerei? Sie haben die Notwendigkeit von Investitionen angesprochen, die aber kosten Geld – ein Problem vor allem für die Kleinen?

Raupach: "Es gibt tatsächlich Schwellenwerte. Brauereien, die kleiner sind als 20.000 Hektoliter Jahresproduktion, geht es in aller Regel gut: Die haben meistens ihr eigenes Wirtshaus, ihre eigenen Strukturen, die kriegen ihr Bier gut verkauft und durch die Direktvermarktung auch einen vernünftigen Preis dafür. Brauereien mit mehr als 100.000 Hektolitern Jahresausstoß haben auch kein Problem: Deren Produktionsvolumen sichert ihnen über die Menge meist genug Gewinn. Die dazwischen sind das Problem! Und genau dazu gehört auch Kitzmann. Das ist das Marktsegment, das sich in den letzten zehn bis 20 Jahren weitestgehend verabschiedet hat."

Warum gerade die?

Raupach: "Diese Brauereien haben meistens den Fehler gemacht, vor rund 30 Jahren über eine gewisse Schwelle hinaus zu wachsen. Dann haben sie die eigene Wirtschaft abgeschafft und meist auf eine Hauptsorte gesetzt – in aller Regel Pils. Das ging in den Neunzigern noch ganz gut, aber ab den 2000ern immer schlechter. Jetzt hat sich der Markt enorm gewandelt: Wie gesagt braucht man heute wieder das eigene Wirtshaus, um vernünftig Geld verdienen zu können. Und man muss in der Lage sein, zu einem vernünftigen Preis viele verschiedene Biere herzustellen. Heute geht der Trend klar in Richtung Biervielfalt. Schwierig für jemanden, der in den 1990ern in ein großes Sudhaus investiert hat, um darin große Mengen einer Sorte zu brauen. Das lässt sich wirtschaftlich kaum für verschiedene Sorten nutzen. Auch die Leergutthematik trifft diese Größe von Brauereien besonders hart."

Welches Problem mit Leergut meinen Sie?

Raupach: "Für eine Flasche gibt es bekanntlich acht Cent Pfand. Im Einkauf kosten die Flaschen aber zwischen 20 und 30 Cent. Kommt jetzt das Leergut nicht zurück, muss man Flaschen nachkaufen, sonst kann man nicht abfüllen. Das trifft alle fränkischen Brauereien, weil fränkisches Bier ein begehrtes Mitbringsel und zunehmend auch ein Exportartikel ist. Aber die Flaschen kommen eben nie mehr zurück, was wiederum bedeutet, dass fränkische Brauer mit jedem Kasten draufzahlen. Auch die Kästen bringen bei Kosten von drei bis fünf Euro gerade mal 1,50 Euro Pfand."

Wäre es eine Lösung, das Pfand anzuheben? Wird das diskutiert?

Raupach: "Das wäre sicherlich eine Lösung, deswegen hätten viele Brauer das auch gerne."

Gibt es auch Brauereien in der von Ihnen genannten kritischen Größe, die sich erfolgreich neu aufstellen?

Raupach: "Die gibt es sicherlich, mir fällt spontan die Brauerei Fässla in Bamberg ein. Die haben aber auch Immobilien in der Stadt und verfügen über eben diese Basis, die sich andere abgeschnitten haben."

Welche Rolle hat die Bergkirchweih für die Kitzmann-Brauerei gespielt?

Raupach: "Die Bergkirchweih war sicherlich mit einer der Faktoren, warum es Kitzmann wirtschaftlich nicht schlecht ging – zumindest stellt sich mir das so dar. Definitiv war die Bergkirchweih aber ein Grund für die Kulmbacher, zuzugreifen. Wenn man nach dem Bierabsatz geht, ist der Berg wohl das zweitgrößte Volksfest in Bayern – da jetzt einen fast exklusiven Zugriff zu haben, ist schon eine große Nummer."

Der Käufer, die Kulmbacher Brauerei, steht im Ruf, sehr aggressives Marketing zu betreiben, nicht umsonst gibt es im Nürnberger Stadion Kulmbacher Bier. Wie ist Ihr Eindruck?

Raupach: "Die Kulmbacher haben Nordbayern fest im Blick und sind klare Konkurrenz zur Nürnberg/Fürther Tucher Bräu. Während Tucher zur Radeberger-Gruppe und damit zum größten deutschen Braukonzern gehört, sind die Kulmbacher Teil einer Shareholdergruppe. Aber die sind auch groß und haben in den vergangenen Jahren unter anderem Kapazitäten in Coburg und Hof aufgekauft. Lange wurden dabei die Marken belassen, das Bier aber in Kulmbach abgefüllt. In den letzten Jahren ist da jedoch auch einiges im Wandel: Mittlerweile engagiert sich Kulmbacher stärker in der regionalen Förderung und versucht sich da bewusst gegenüber der Tuchergruppe abzugrenzen. Erlangen liegt direkt auf der Grenze der beiden Einflussbereiche."

Wäre Kitzmann auch für Tucher interessant gewesen?

Raupach: "Ich denke schon. Ob und in welchem Umfang es Gespräche gegeben hat, kann ich aber nicht beurteilen. Grundsätzlich haben aber beide großen Brauereien erkannt, dass man für das Image was tun muss. Tucher hat mit dem Erfolg von Grüner bewiesen, dass sie dazugelernt haben. Der Trend geht in die Region, in die Emotion, in die besonderen Biere. Was mir bei Tucher aktuell sehr gut gefällt, ist das Rotbierthema, das sehr stimmig aufbereitet wird. Was man halt in Franken spürt, ist, dass die großen Brauereien schon indirekt einen Druck auf die kleinen ausüben, indem sie versuchen, auch die letzten Gaststätten am Land, die es noch gibt, zu bekommen. Damit fallen die für die kleinen Brauereien weg."

Dennoch durften wir letztes Jahr ja eine Trendumkehr vermelden: Es wurden mehr Brauereien gegründet, als geschlossen haben. Wie sieht denn nun Ihre Zukunftsprognose aus?

Raupach: "Ich glaube, wir werden zwar kein immenses Wachstum erleben, aber ein leichtes. Was mich sehr positiv stimmt, ist, dass in vielen Traditionsbrauereien die jungen Leute übernommen haben oder gerade drüber sind. Viele Brauer, die ich schon seit 20 Jahren begleite, konnten sich nicht vorstellen, dass die jüngere Generation einmal übernimmt. Aber die machen das jetzt, und das auch noch mit viel Begeisterung und Fachwissen. Und das führt mich zum zweiten Punkt: Es wird ausprobiert. Franken ist im Gegensatz zu Bayern sehr innovativ, es gibt viele verschiedene Biere. Und das ist ein wichtiger Punkt, damit das Thema Brauen und Bier für die Bevölkerung spannend bleibt. Und schließlich war Bier schon immer etwas, wofür Menschen gerne zusammengekommen sind. Damit hat man auch eine gewisse Garantie, dass es bleibt."

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