Künftig zum Arbeitsamt statt in die Schule?

31.1.2014, 15:32 Uhr
Künftig zum Arbeitsamt statt in die Schule?

© dpa

Sie glaubten –, und glauben noch immer – sie würden dringend gebraucht. Felix Gutmann hat Lehramt für Realschulen studiert. Im Juli schloss er sein zweites Staatsexamen mit der Note 2,08 ab. Einen Job bekam er nicht. Weder beim Staat noch bei einer der mehr als 30 städtischen oder privaten Schulen in Mittelfranken, bei denen er sich beworben hatte. „Wir legen Ihre Bewerbung zu den Akten und melden uns, wenn wir Sie brauchen.“ Gemeldet hat sich niemand.

Es gibt zu viele Lehrer und zu wenige Stellen. Bayernweit stehen mehr als 600 Junglehrer ohne Arbeit da, zum Teil trotz hervorragender Noten. Als Gutmann 2005 zu studieren begann, hieß es, wenn sie fertig sind, würden sie gebraucht werden. Tatsächlich gingen 2012 so viele Lehrer in den Ruhestand wie noch nie, deutschlandweit 25000 verbeamtete Pädagogen. Seitdem herrscht in Hamburg und Berlin Bedarf. In Bayern nicht, sagt Spaenle.

Mehr Lehrer statt weniger

Birgit Hoyer sieht das anders: „Aus der Praxis in den Schulen bekomme ich genau das Gegenteil mit“, sagt die Leiterin des Zentrums für Lehrerinnen- und Lehrerbildung an der Universität Erlangen-Nürnberg. „Dort gibt es zu große Klassen, trotzdem wird Ganztagsbetreuung gefordert, individuelle Förderung und Inklusion – wir brauchen mehr Lehrer statt weniger.“ Die derzeitige Stellen-Diskussion erhöhe den Leistungsdruck. „Man merkt schon sehr, dass sich alle Studierenden Sorgen machen.“ Hoyer will deshalb Alternativen bieten. Wie in anderen Bundesländern auch will sie Studenten künftig einen Masterabschluss vor dem Referendariat ermöglichen. „Damit können sie sich deutschlandweit bewerben, international und auch in der freien Wirtschaft.“ In Bayern endet das Lehramtsstudium mit dem Staatsexamen.

Michael Fiedler studiert im neunten Semester Lehramt für Gymnasien und engagiert sich in der Fachschaft der Philosophischen Fakultät. Der 24-Jährige überlegt im Moment, ob er nach dem Examen noch promovieren soll, um an der Universität zu bleiben. „Dann kann ich Lehrer ausbilden, das wäre wenigstens so ähnlich“, sagt er. Nur, dass die Schüler ein bisschen älter wären. „Natürlich können nicht alle sofort eine Stelle bekommen“, sagt er. „Aber doch wenigstens die mit sehr guten Noten.“

Eva Winter hat noch Hoffnung. Sie studiert in Erlangen Mathe, Biologie und Musik, um an der Mittelschule unterrichten zu dürfen. „Das ist derzeit noch gefragt“, sagt die 27-Jährige. Sollte es nicht klappen, hat sie ein zweites Standbein: Sie hat auch ein Mathematik-Studium abgeschlossen. „Aber ich habe mich bewusst fürs Lehramtsstudium entschieden – Kinder unterrichten, das ist das, was ich machen will.“ Die aktuelle Situation findet Winter sehr schwierig: „Wer an Lehrern spart, spart an der ganzen Bildung“, sagt die Studentin. Gerade Mittelschullehrer müssten praxisnäher ausgebildet und besser bezahlt werden. „Wir müssen auch Kinder mit Behinderung oder Sprachschwierigkeiten mit einbeziehen können.“

Keiner der Junglehrer wollte, dass sein richtiger Name in der Zeitung steht, nicht dass Spaenle ihn liest.

Realschullehrer Gutmann arbeitet seit September an einer Förderschule. Der Job mit den Kindern im Grundschulalter gefällt dem 28-Jährigen gut. Aber seine gelernten Fächer, Deutsch, Religion und Sozialkunde, kann er hier nicht unterrichten. Die Stelle ist befristet auf ein Jahr. Drei Jahre, hat er für sich beschlossen, sind solche Jobs okay. Wenn er dann noch immer an keiner Realschule untergekommen ist, versucht er es als Lektor „oder so“. Wer Lehramt studiert, will Lehrer werden. Über andere Berufe denkt kaum einer nach. „Dazu sollten sie ab jetzt wohl besser Vorträge an der Uni anbieten“, meint Gutmann.

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