Wohnhaus von Youtuber belagert

Medienhype um den "Drachenlord": Darum haben wir berichtet

Julia Ruhnau

nordbayern.de

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22.8.2018, 21:28 Uhr
Nicht nur der Einsatz der Polizei, die den Ort mit einem Großaufgebot absicherte, machte den Fall des YouTubers "Drachenlord" über die virtuelle Welt hinaus bekannt.

© NEWS5 / DESK Nicht nur der Einsatz der Polizei, die den Ort mit einem Großaufgebot absicherte, machte den Fall des YouTubers "Drachenlord" über die virtuelle Welt hinaus bekannt.

Es passiert nicht oft, dass ein kleiner Ort von gerade mal 40 Einwohnern deutschlandweit in den Fokus der Medien gerät. Und es passiert noch seltener, dass ein YouTuber über mehrere Tage hinweg die Schlagzeilen regionaler, aber auch überregionaler Zeitungen und Online-Portale bestimmt – und zwar außerhalb der Digital-Fachpresse. Der "Drachenlord" hat beides geschafft. "Die Belagerung des Drachenlords" titelte Spiegel Online angesichts des Aufmarschs Hunderter "Hater" in Altschauerberg, dem Wohnort des 29-Jährigen. "Polizei muss Meute vor Wohnhaus stoppen" hieß es bei Focus Online, der Bayerische Rundfunk berichtete auf seiner Internetseite von einer "Hassdemo gegen Youtuber 'Drachenlord'".

Ein junger Mann, der bei laufender Kamera vor seinem Computer sitzt und immer wieder versucht, einer Masse aggressiver Kommentatoren gegenüberzutreten, hat mit seinem Fall für Kopfschütteln in der ganzen Republik gesorgt. Und für Unverständnis bis hin zu großer Besorgnis über das Verhalten seiner "Hater", die zu Hunderten nach Altschauerberg pilgerten, um das Wohnhaus des YouTubers zu belagern.

Doch nicht nur das: Auch die Berichterstattung steht in der Kritik. "Ich bin auch von Nordbayern.de entsetzt", schreibt etwa ein Kommentator auf unserer Homepage und äußert Unverständnis darüber, dass "anscheinend 5 bis 6 Fotografen" vor Ort waren. Andere werfen den Medien vor, die Situation durch die prominente Berichterstattung noch zu verschärfen. "Bitte macht nicht auch noch Werbung für diesen bedauernswerten Fall", lautet ein anderer Beitrag. Und ein weiterer Kommentator interpretiert die komplette Berichterstattung als klaren Sommerloch-Fall: "Danke, Drachenlord, dass du den Medienleuten so hilfreich unter die Arme greifst."

Ja, es stimmt, dass man mit Berichten über eine jahrelange Fehde zwischen einem YouTuber und seinen Hatern den Konflikt unter Umständen noch befeuert. Je größer der Bekanntheitsgrad, desto mehr Leute positionieren sich und beteiligen sich unter Umständen an einer seit langem nicht mehr nur virtuellen Hetzjagd auf einen Menschen. Und ja, auch dessen Hang zur Selbstdarstellung wird durch die deutschlandweite mediale Aufmerksamkeit vermutlich noch angestachelt. Es wäre also eine Option, gar nicht zu berichten. Es gibt aber gute Gründe, dies trotzdem zu tun.

Die wichtigste Frage ist, ob der Fall von öffentlichem Interesse ist. Wenn sich bis zu 800 Menschen aufmachen, um einen 40-Einwohner-Ort zu belagern, ist es nicht nur für die Einheimischen von Belang, warum das passiert. Das Landratsamt war involviert, weil es für den Tag des "Schanzenfests", wie die "Drachenlord"-Kritiker ihren Aufmarsch nennen, ein Versammlungsverbot verhängt hatte, um die Anwohner zu schützen.

Darüber hinaus erlebte Altschauerberg den wohl größten Polizeieinsatz seiner Geschichte. Die Polizei und das Landratsamt sahen die Sicherheit der Anwohner in Gefahr. Sogar vom Pokalspiel in Fürth, wo Borussia Dortmund auf Greuther Fürth traf, wurden Einsatzkräfte des USK abgezogen, um die Beamten der Polizeiinspektion Neustadt an der Aisch zu unterstützen. Nach Schätzungen von Augenzeugen waren auf dem Höhepunkt des Einsatzes knapp 100 Polizisten vor Ort. Die Polizei und das Innenministerium machen zur Größe des Einsatzes keine Angaben, auch über die Kosten gibt es keine Auskünfte. Sicher ist allerdings, dass die Polizei um die 300 Platzverweise ausgesprochen hat.

Für die Anwohner ist der Konflikt darüber hinaus bereits seit Jahren eine Belastung, regelmäßg werden sie von ungebetenen Besuchern behelligt, die das Haus des "Drachenlords" einmal aus der Nähe sehen wollen. Inzwischen ist der Account des YouTubers stillgelegt, "Kanal auf unbestimmte Zeit pausiert", ist auf YouTube zu lesen.

Cybermobbing dramatischen Ausmaßes

Es geht also nicht um einen kleinen Schlagabtausch im Netz, der außer schlechter Stimmung bei den Beteiligten keine Folgen hat. Sobald der Fall für viele Menschen sichtbar wird, ist ein regionales Medium in der Pflicht, darüber zu berichten und nach Erklärungen zu suchen, warum dieser Fall von Cybermobbing so dramatische Ausmaße angenommen hat. Nicht (nur), weil es Klicks und Aufmerksamkeit bringt, sondern weil die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an den Gründen für die Eskalation hat. Und weil es gerade für Menschen, die nicht täglich auf YouTube unterwegs sind, vollkommen unverständlich ist, welche Hasswellen hier aus der virtuellen in die reale Welt herüberschwappen.

Es ist die Aufgabe der Medien, eine Debatte über die Hintergründe anzustoßen und so dazu beizutragen, Erklärungen und vielleicht sogar Lösungsmöglichkeiten zu finden. Die Balance zu halten zwischen der Befeuerung eines Konflikts und notwendigen Berichten über die Entwicklungen vor Ort und die Hintergründe bleibt dabei eine Gratwanderung - Tag für Tag.

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