Millionenbetrug: Nürnberger Wirt prellte Staat und Sozialkasse

17.7.2018, 16:43 Uhr

Als Geschäftsführer war der Gastronom für drei Lokale in der Innenstadt verantwortlich, doch zwischen Januar 2008 und Juli 2013 soll er doppelte und äußerst kreative Buchführung betrieben haben – im Dezember 2011 stellten die Steuerfahnder erstmals seine Betriebe auf den Kopf, im Frühjahr 2013 saß er zeitweise in U-Haft. Nun muss er im Landgericht Nürnberg-Fürth Platz nehmen, und sich, flankiert von Strafverteidiger Tobias Rudolph, vor der 18. Strafkammer verantworten – Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 808.931, 53 Euro blieb er schuldig, außerdem soll er Umsatzsteuer in Höhe von 268.252,75 Euro nicht bezahlt haben.

1233 Fälle von Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und 41 Fälle der Steuerhinterziehung wirft ihm Staatsanwalt Klaus Hellein vor, allein bis er die Anklageschrift mit ihren detaillierten Vorwürfen und Zahlen vorgetragen hat, vergeht die erste Stunde im Sitzungssaal.

Er behandelte Mitarbeiter unterschiedlich

Bereits vor Beginn der Hauptverhandlung hatten die Prozessbeteiligten Gespräche unter der Überschrift Geständnis gegen Strafrabatt geführt – und nachdem die Anklageschrift verlesen ist, ziehen sich die drei Berufsrichter und die beiden Schöffen, der Verteidiger und der Staatsanwalt unter Ausschluss der Öffentlichkeit zur Beratung zurück. Gut möglich, dass eine Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren – bis zu dieser Höhe ist die Aussetzung zur Bewährung möglich – im Raum steht. Noch wurde das Ergebnis nicht zu Protokoll diktiert.

Trifft die Anklage zu, agierte der Mann, der noch immer in der Altstadt als Gastronom tätig ist, mit doppelten Quittungen und falschen Lohnabrechnungen, wohl auch, um seine Tricksereien vor den betroffenen Mitarbeitern zu verschleiern.

Weder Lohnfortzahlung bei Krankheit noch Urlaub

Dabei behandelte er die Arbeitnehmer höchst unterschiedlich: Einigen Mitarbeitern soll er Überstunden, Urlaubs- und Weihnachtsgeld schwarz ausbezahlt haben, andere Mitarbeiter meldete er gar nicht erst als Arbeitnehmer an und eine weitere Gruppe von Arbeitnehmern wurden nur nach tatsächlich geleisteten Stunden vergütet, ihnen gewährte er weder bezahlten Urlaub, noch bezahlte er im Krankheitsfall den Lohn fort. Laut Anklage geizte er auch bei Neueinstellungen – regelmäßig ließ er neue Mitarbeiter "zur Probe" arbeiten:

Er gliederte die neuen Kräfte voll in den Betrieb ein, doch bezahlte sie nicht – genau genommen waren auch diese "Probeschichten" vergütungs- und sozialversicherungspflichtig. Immer wieder gab der Wirt den Pfenningwuchser, so soll er seine Servicekräfte auch anhalten haben, 30 bis 60 Minuten früher mit ihren Schichten zu beginnen – bezahlt hat er diese Zeiten angeblich nicht.

Angesichts solcher Geschäftspraktiken verwundert es wenig, dass einige der Mitarbeiter sauer wurden, ihren Chef beim Finanzamt verpfiffen und so die Ermittlungen ins Rollen brachten. Der Prozess geht am Freitag um 9 Uhr im Landgericht Nürnberg-Fürth weiter.