Missbrauchsvorwürfe: Erzbistum seit Jahren informiert

25.2.2011, 13:00 Uhr
Missbrauchsvorwürfe: Erzbistum seit Jahren informiert

© dpa

Der Chef der Bamberger Staatsanwaltschaft, Bardo Backert, bestätigte auf Anfrage entsprechende Informationen unserer Redaktion. Am Mittwochabend war in der Online-Redaktion unserer Zeitung und beim Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt, eine bundesweit tätige Selbsthilfeorganisation, ein anonymer Hinweis eingegangen, der sich als zutreffend erweisen sollte: Demnach hat ein angebliches Tatopfer 2008 bei der Polizei in Bamberg Anzeige gegen den Geistlichen erstattet. Der Priester soll ihn bereits 1990 sexuell genötigt haben. Zu dem Zeitpunkt befand sich der Kirchenmann als Kaplan beziehungsweise als Gemeindepfarrer in Amt und Würden; das Opfer war bei der angeblichen Tat nach Angaben der Staatsanwaltschaft Bamberg über 18 Jahre alt.

Der Betroffene war 2008 durch bekanntgewordene Missbrauchs-Ermittlungen gegen ein Mitglied des Bamberger Domkapitels veranlasst worden, seinen davon unabhängigen Fall bei der Polizei anzuzeigen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte und stellte nach Angaben von Bardo Backert das Ermittlungsverfahren im November 2008 ein, weil die Tat bereits verjährt gewesen sei.

Der Chef der Staatsanwaltschaft betonte, dass weder der Beschuldigte noch das Bamberger Erzbistum über das damalige Ermittlungsverfahren informiert gewesen seien. Jedenfalls habe seine Behörde den Geistlichen nicht zu den Vorwürfen vernommen.



Der Priester war jetzt vom Erzbistum fristlos aus dem Seelsorgeamt entfernt und bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg angezeigt worden, weil er in einem anderen Fall bereits in den 80er Jahren einen damals 15 Jahre alten Jungen sexuell missbraucht haben soll. Die Justiz in Nürnberg ermittelt und prüft, ob auch dieser frühere Fall verjährt ist.

Staatsanwalt wusste nichts

Die angebliche sexuelle Nötigung aus dem Jahr 1990 ist bei der katholischen Kirche in Bamberg viel länger bekannt, ohne dass die staatlichen Strafverfolgungsbehörden darüber informiert gewesen wären: Der Betroffene schrieb schon 2001 laut Staatsanwaltschaft einen Brief an Mitarbeiter der Erzdiözese und berichtete von der sexuellen Nötigung — sieben Jahre, bevor die Bamberger Staatsanwaltschaft mit dem Fall konfrontiert wurde. In jenem Jahr 2001 war der Geistliche nach sechs Jahren aus der hauptamtlichen Funktion des Bundeskurats (oberster Geistlicher) der Deutschen Pfadfindergemeinschaft St. Georg (DPSG, 100.000 Mitglieder) ausgeschieden und hatte die Seelsorge in drei Fürther Pfarreien übernommen. 2005 bekam er auch noch überörtliche Leitungsfunktionen — zu einem Zeitpunkt, als die Erzdiözese längst über die Vorwürfe der, verjährten, sexuellen Nötigung informiert war.

Die Pressestelle des Erzbistums hatte bisher wiederholt erklärt, es seien keine weiteren Anzeigen oder Ermittlungen gegen den Geistlichen aus Fürth bekannt. Gestern nun war dort auf Anfrage wegen des Falles von 1990 keine Stellungnahme zu erhalten. Der Betroffene war nicht zu erreichen. Der leitende Oberstaatsanwalt Bardo Backert sieht die beiden Fälle positiv: Die sofortige Anzeige jetzt dokumentiere die „Wandlung im Selbstverständnis der katholischen Kirche“.

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