Nahe am Traum von der Elektro-Mobilität

13.9.2015, 13:29 Uhr
Nahe am Traum von der Elektro-Mobilität

© Martin Müller

Bei 37 Grad brennt draußen erbarmungslos die Sonne vom Himmel, doch kaum ist man durch die Haustür von Andreas Haehnel und seiner Frau Daniela, kühlt man schnell wieder ab. „Wir gönnen uns eine Klimaanlage. Man kann gleichzeitig ökologisch denken und auf nichts verzichten“, ist der 42-Jährige überzeugt. Sogar einen stromfressenden Jacuzzi hat er sich in den Garten gestellt. In der Einfahrt stehen ein Mercedes B-Klasse Elektro-Auto und ein Plug-in Hybrid von Mitsubishi.

Schon als die Haehnels 1999 mit dem Hausbau begannen, hatten sie die Vision, Elektro-Autos zu fahren und einen Großteil der Energie selbst zu erzeugen. Wirklich brauchbare Fahrzeuge gab es damals freilich noch nicht. Starkstromanschlüsse ließen die Haehnels trotzdem schon verlegen. Die Grundlagen für den Traum sollten schließlich gelegt werden.

Als dann 2009 das erste Elektro-Auto unter dem Carport stand, ging es endgültig an die Realisierung. Schließlich sollte der Strom nicht einfach aus der Steckdose und damit aus Atom- und Kohlekraftwerken kommen. Eine Photovoltaik-Anlage sollte her. „Aber wenn man erst ein Haus gebaut hat, kann man ja nicht gleich so viel Geld in die Hand nehmen“, räumt Haehnel ein. Und so kam Helmut Kuhn ins Spiel. Lange Jahre arbeitete er im Vertrieb eines Photovoltaik-Unternehmens, mittlerweile tritt er als Investor auf.

Ständig verbessert

"Das ist die vierte Anlage, in die ich investiere – und die, die am meisten Spaß macht", sagt er. Denn anders als bei herkömmlichen Anlagen, ist hier durch die Elektro-Autos ständig etwas zum Nachjustieren und Verbessern da.

Kuhn hat die Dachfläche der Haehnels gemietet und ihnen 2012 eine 22-kW-Anlage aufs Dach gesetzt. "Ich mache das, weil es eine Herzensangelegenheit ist — und natürlich vor allem als Altersvorsorge", bekennt er freimütig. Selbstverständlich zahlen ihm die Haehnels den Strom. Immerhin ist er etwas billiger als aus dem Netz. Innerhalb von zwölf Jahren sollen sich Kuhns Investitionen amortisiert haben.

Und die beschränken sich nicht auf die Photovoltaik-Anlage auf Dach und Carport. 2013 stellte er den Haehnels einen Speicher in die Schaltzentrale im Keller, 2014 tauschte er ihn gegen einen anderen aus.

"Der erste Speicher hat nicht optimal auf unser Profil gepasst, wir brauchen einen flexibleren Speicher", erklärt Haehnel. Ein 9-kW-Stromspeicher steht nun im Keller. Ein teures Monstrum — und doch noch lange nicht ausreichend.

"Wir müssen den Speicher definitiv erhöhen, wir sind noch lange nicht am Ziel", meint Haehnel. Sein Auto hat eine Batteriekapazität von fast 30 Kilowattstunden. 40 Prozent seines Stroms bekommt der 42-Jährige deshalb bisher noch aus dem Netz.

Obwohl er andererseits auch sehr viel Energie abgeben muss, anstatt sie selbst zu verbrauchen. Denn wenn die Sonne vom Himmel brennt, ist der Speicher schnell voll, Haehnel braucht zu der Zeit aber nur wenig Strom. "Die Anlage ist noch zu groß für den Speicher", weiß er. Im Juli hat sie ihm 3,04 Megawatt geliefert, am Rekordtag waren es 139 Kilowatt.

Richtig ist sie trotzdem in dieser Dimension, ist Haehnel überzeugt. Der Speicher kann sehr einfach erweitert werden, und auch der Verbrauch der Familie wird weiter steigen. In den nächsten Jahren wird Kuhn also sicher noch einmal investieren.

230 Kilometer Reichweite

"Wenn ich mein Elektro-Auto lade, bin ich so glücklich, das glauben Sie gar nicht", schwärmt Haehnel. Nur eine etwas größere Reichweite wünscht er sich noch. Etwa 230 Kilometer weit kommt er bisher, in zweieinhalb Stunden hat sich das Fahrzeug komplett aufgeladen.

Mehr als Spielerei hat sich Haehnel auch noch ein 800-Watt-Windrad aufs Dach gesetzt. Viel Energie liefert das nicht, der Standort ist nicht optimal. "Aber ich wollte damit ein sichtbares Zeichen für mehr Umweltbewusstsein setzen. Außerdem ist es spannend und macht Spaß, mit solchen Sachen rumzuprobieren", erklärt er.

Jederzeit kann er auf seinem iPad verfolgen, wie viel Energie er gerade erzeugt und wie voll der Speicher ist. Ein Software-Gesamtkonzept dafür gibt es nicht, vieles musste selbst zusammengeflickt werden.

Damit das alles möglich wurde, brauchte es noch einen dritten im Bunde: Tom Neubert, den Elektriker. "Durch die Unmengen an Daten hat sich hier ein unheimliches Wissen angesammelt, das Gold wert ist für die, die nach uns kommen", ist er überzeugt.

Neubert hat schon zu Beginn die Starkstromanschlüsse verlegt. Er ist auch auf das Dach geklettert, um das Windrad zu installieren. Eine Premiere für ihn. "Das war schon ein kleines Abenteuer", erinnert er sich an die Klettertour.

Andreas Haehnel indes möchte möglichst viele Menschen von seiner Vision und seinem Weg überzeugen — auch wenn er selbst nichts davon hat: "Man kann wirklich etwas bewegen, nicht nur in großen Unternehmen, sondern auch im Einfamilienhaus."

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