3,8 Kilometer Klebeband erobern das MLF

23.6.2017, 11:53 Uhr
3,8 Kilometer Klebeband erobern das MLF

© Günter Distler

Mittlerweile hat Monika Grzymala (Jahrgang 1970, geboren in Polen) ihre Ausstellung in Neumarkt fertig aufgebaut: Vernissage ist am Sonntag, 24, Juni, um 11.30 Uhr.

Die ersten Fotos, die sich Pia Dornacher angesehen hatte, waren vielversprechend, die Realität übertrifft sie noch: Besonders mit ihrer „Raumzeichnung“ bespielt Grzymala den großen Wechselausstellungsraum im Museum Lothar Fischer in überwältigender Weise. Da hat sie in zwei Tagen schweißtreibender Arbeit und aus 3800 Metern schwarzem Klebeband ihre „Tangente“ geschaffen: einen stürmischen Wirbel von Linien, der sich von den Fenstern aus über den ganzen Raum ausbreitet, voll von Bewegung, voll von Spontanität.

Kein Wunder, dass Dornacher da auf die Frage: „Warum haben Sie sich zu dieser Ausstellung entschlossen?“, bei der Pressekonferenz in Anwesenheit von Oberbürgermeister Thomas Thumann um Antworten nicht verlegen war: „Die Arbeiten von Monika Grzymala sind eine überzeugende Auseinandersetzung mit der Architektur des Museums, sie korrespondieren mit Lothar Fischers linearen Bildhauerskizzen.“ Der hatte 1991 in einem Aufsatz geschrieben: „Räumliche Vorstellungen werden über das zeichnerische Mittel der spontanen Linie ständig korrigiert und verändert.“ Das hätte auch Monika Grzymala so sagen können, die jetzt in der neuen Ausstellung ihre schwarzen Linien im Kontrast zu Fischers weißen Figuren sieht.

Manchmal bewegen sich ihre Hände auf einem Skizzenblock oder Tablet ganz spontan und entwickeln so ihre Entwürfe: wie damals, als sie in einem ungeheizten Atelier saß – Studentin des Hamburger Professors Bogomir Ecker, mit einem bald vollen Skizzenbuch und der Erkenntnis: „Die Linie trat in den Raum“ – vom Papierbogen aus über die Wände.

So wie jetzt die Linien ihrer „Tangente“- Installation das Museum Lothar Fischer erobern. Kein Wunder, dass bei einem derart raumbezogenen und -gebundenen Kunstwerk nach der Wiederverwendung am Ende einer Ausstellung gefragt wird.

Wiederverwerten oder entsorgen

Kein Problem offenbar für Monika Grzymala: Wenn sie eine Ausstellung abbaut, wandern Teile ihrer Plastiken zurück in ihr Atelier, werden in neue Zusammenhänge und Ausdrucksformen gebracht – anderes wandert in den Müll.

Beispiele für solche künstlerischen Fortsetzungsgeschichten zeigt sie im ersten Stock des Neumarkter Museums: von Ausstellungen in ganz Europa. Denn die hat sie Schlag auf Schlag.

Auch wenn sie in Deutschland noch relativ unbekannt ist, stellt Grzymala in New York, London, Sydney oder der Schweiz aus. „Endlich mal eine lebende Künstlerin nach vielen Retrospektiven“, lobt deshalb auch Stiftungsvorsitzender Heiko Graeve. Grzymala findet das Material für ihre ungewöhnlichen Arbeiten und ihre handwerklich aufwändigen Prozesse nicht einfach im Baumarkt: Das besondere Klebeband der „Tangente“ lässt sie eigens in den USA anfertigen, ihre Porzellanbänder brennt sie selbst, sie verwendet Gräser und andere Pflanzen von ihrem Balkon in New York oder Papier aus Maulbeerbäumen.

Bewusst monochrom

Zusätzliche Farbe kommt bei ihr kaum vor: Sie liebt das Monochrome, den Gegensatz von Schwarz und Weiß; und befindet sich damit in einem „stillen Dialog“ mit Lothar Fischer, den sie auch durch Sichtachsen in den Ausstellungsräumen herzustellen versucht. Klar, dass sie das alles nicht planen und festlegen kann.

Den Aufbau ihrer Arbeiten kann sie kaum delegieren, er wird bestimmt von „kompromisslos spontanen Überlegungen“, lebt auch von den Möglichkeiten der Veränderung in letzter Minute.

Genau wie der Abbau nach dem 8. Oktober: Danach könnte man die Arbeiten vielleicht in einem „anderen Aggregatszustand“ erleben – die „linea“ oder den „Mäander“. Kunden kaufen da kein gerahmtes Stück übers Sofa, sondern geben sich und ihre Wohnung der Künstlerin anheim: „Monika mach“, sagte eine Sammlerin in New York, gab ihr „carte blanche“ – vielleicht wie die Auftraggeber im schwedischen Upsala, wo sie für ein Science-Center eine 24 Meter hohe Skulptur entwirft.

Leben, das könne sie von dieser Art von Kunst eigentlich ganz gut – aber Monika Grzymala macht nicht den Eindruck, als ob das für sie das Wichtigste wäre.

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