„Archivare“ waren einst rechte Schlamper

15.6.2012, 00:00 Uhr
„Archivare“ waren einst rechte Schlamper

© Etzold/privat

Auf seine Anregung hin, und in Zusammenarbeit mit der Stadt Neumarkt und dem Münzverein Neumarkt gibt es ab sofort eine Silbermedaille mit dem Abbild des neuen Stadtarchivs. Darüber hinaus kann sich jeder Besucher im Rahmen des „Tags der offenen Tür“ am Sonntag, 17. Juni, ein Erinnerungsstück auf der Spindelpresse des Münzverein Neumarkt für fünf Euro in Zinn prägen. Die Silbermedaille gibt es für 39 Euro beim Münzverein Neumarkt, (09181) 61615, bei der Tourist Info in der Rathauspassage und bei der Raiffeisenbank Neumarkt.

„Archivare“ waren einst rechte Schlamper

Das älteste Dokument des Stadtarchivs Neumarkt ist das Zollprivileg Kaiser Friedrichs II., das er Neumarkter und Nürnberger Kaufleuten im November 1235 ausstellte. In jener Zeit entwickelten sich städtische Autonomien, rechtliche Strukturen, deren Niederschlag sich heute in Form der damals ausgestellten Urkunden wieder finden.

Die Räume, in denen man solche Privilege und Rechtsdokumente aufbewahrte, waren die Urform der heutigen Archive, so Präger. In der Oberpfalz besitzt nur das Stadtarchiv Regensburg (1182) noch ältere Dokumente. Es folgen das Stadtarchiv Cham (1252) und Amberg (1294).

Die erste Nachricht von der Existenz eines städtischen Archivs in Neumarkt geht auf das Jahr 1657 zurück, als Schreiner Hans Hauser ein Brettergestell für Urkunden, Kriminalsachen und Ratsprotokolle im Rathaus zimmerte, und Schlosser Hans Ludwig zwei Schließeisen für die Ratsregistratur fertigte.

Doch ließ das Interesse an der sorgfältigen Aufbewahrung der historischen Dokumente im Laufe der Jahrhunderte nach. Landrichter Johann Friedrich Karl Wülfert befahl nach einer Besichtigung des Archivraums, in welchem er auf dem Fußboden liegend alte Pergamenturkunden vorgefunden hatte, 1838 die Überführung der wichtigsten Neumarkter Urkunden – vom genannten Zollprivileg bis zur Privilegienbestätigung durch Max Emanuel 1715 – an das Allgemeine Reichsarchiv in München.

Wie andere Städte, nahm es auch Neumarkt im 19. Jahrhundert nicht sehr ernst mit seiner schriftlichen Überlieferung. Versuche, das Archiv durch Fachpersonal ordnen zu lassen, scheiterten an der Höhe der Kosten.

1843 lagen noch immer Dokumente auf dem Fußboden, die Regale waren brechend voll. Um Platz zu schaffen, wurde Archivmaterial „verschleudert, verschenkt, gestohlen, an Krämer verkauft oder eingestampft“, so der Archivleiter. So gelangte Archivgut der Stadt in Privatbesitz. Die Akten des 19. Jahrhunderts, in vielen kommunalen Archiven ein umfangreicher Kernbestand, fehlen in Neumarkt daher fast vollständig. Im Jahre 1909 konnte die Stadt zumindest einen kleinen Teil davon aus Nürnberg zurückkaufen.

Die Zerstörung des Neumarkter Rathauses im Zweiten Weltkrieg traf mehr die Registratur der Stadtverwaltung und nicht so sehr das Archiv, das offenbar zum größten Teil in sichere Depots ausgelagert worden war. Trotzdem wurde die kontinuierliche Überlieferung empfindlich gestört, die entstandene Lücke reicht von 1919 bis 1945.

Im Jahre 1961 brachte Amtmann Ludwig Wifling erstmals nach dem Krieg Ordnung in das nun im wiederaufgebauten Rathaus gelagerte Archivgut. Bis 1972 betreute es der damalige Vorsitzende des Historischen Vereins, Alfons Königer, nach ihm kümmerte sich Oberbürgermeister a.D. Theo Betz um das historische Erbe der Stadt. Er veranlasste auch die Lagerung in der neu erbauten Stadtbibliothek.

Jähes Ende

Von 1979 bis 1984 war Bürgermeister Arnold Graf für das städtische Archiv verantwortlich, bevor 1985 Rektor Hans Meier als ehrenamtlicher Archivar gewonnen werden konnte. Im Jahre 1996 setzte ein schwerer Schicksalsschlag der Arbeit dieses engagierten Stadtgeschichtsforschers ein jähes Ende.

1996 wurde das Stadtarchiv nach der langen Zeit der ehrenamtlichen Betreuung ein eigenes Amt innerhalb des noch jungen Kulturamts der Stadt Neumarkt. Vielfältige wichtige positive Entwicklungen sind das Verdienst der Kulturamtsleiterin Dr. Gabriele Moritz und der neuen Amtsleiterin Petra Henseler, so die Sicherung des umfangreichen Bildbestands, die Zusammenführung der alten Gemeindearchive oder die Einführung eines Verzeichnisprogramms zur Erstellung einer Datenbank. 1996 erhielt das Stadtarchiv im dritten Stock der sanierten Bräugassenschule neue Räume.

All diese Bemühungen um die Archivpflege wurden staatlicherseits honoriert, als am 16. Juli 1997 Professor Dr. Walter Jaroschka, Generaldirektor der Bayerischen Archivverwaltung, den gesamten nach München transferierten Bestand von 51 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Privilegien zurückgab.

Heute beschäftigt die Stadt Neumarkt drei Angestellte im Bereich Archiv. Gemeinsam erfüllen sie die vielfältigen anfallenden Aufgaben. Denn neben den klassischen Tätigkeiten der Übernahme, Bewertung, Erschließung und Nutzbarmachung von Verwaltungsschriftgut und Sammlungsgut dienen Archive nicht nur als Orte der Forschung und historischen Recherche, sondern auch als Arbeits- und Diskussionsforum für Wissenschaftler, Heimatkundler und Geschichtsinteressierte.

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