Berufsschule Neumarkt startet Anti-Rassismus-Projekt

12.3.2019, 09:23 Uhr
Berufsschule Neumarkt startet Anti-Rassismus-Projekt

© Foto: Günter Distler

In "Das andere Leben – Kindheit im Holocaust" hat der mittlerweile 90 Jahre alte jüdische Zeitzeuge Solly Ganor, der 1928 in der litauischen Kleinstadt Šiluté (Heidekrug) geboren wurde, seine Jahre in den Konzentrations- und Arbeitslagern der Nazis geschildert.

Aus Solly Ganors Lebenserinnerungen hat der Schauspieler und Rezitator Thomas Darchinger zusammen mit dem Vibraphonisten Wolfgang Lackerschmid eine extrem packende, Gänsehaut machende Lesung entwickelt, mit der er schon seit einiger Zeit nicht nur in den Schulen der Republik unterwegs ist.

Berufsschule Neumarkt startet Anti-Rassismus-Projekt

© Foto: Günter Distler

Schulleiter Albert Hierl und Landrat Willibald Gailler (der auch die Schirmherrschaft des Anti-Rassismus-Projektes übernommen hat) machen vor einer großen Anzahl von Schülerinnen und Schülern klar, dass Weltoffenheit und ein demokratisch verfasster Staat keine Selbstverständlichkeiten sind. Und dass all jene Berufsschüler, die das 18. Lebensjahr schon erreicht haben, am 26. Mai zur Europawahl gehen sollten. "Den extremistischen Playern, egal ob von links oder rechts, dürfen wir das Spielfeld nicht überlassen", bemüht Gailler einen im Sporthallen-Ambiente durchaus passenden Vergleich.

Mit ihrer musikalisch unterlegten Lesung bohren Darchinger und Lackerschmid sehr dicke Bretter. Was hier zur Sprache kommt, sind Grauen und Verzweiflung jenseits dürrer Geschichtsbuch-Daten. Und wenn Thomas Darchinger als Einleitung eine wahre Geschichte erzählt, in der ein Politiker mit Lügen, "alternativen Fakten" und "Fake News" an die Macht kommt, bis er unangefochten an der Spitze steht und eine Gewalt-Diktatur errichtet, dann ist eine ganze Weile nicht klar, ob er von Adolf Hitler oder von Donald Trump spricht – die Parallelen wirken erschreckend.

Was geschehen kann, wenn die Menschenrechte nicht mehr gelten, wenn Bürger interniert und schließlich gnadenlos getötet werden, wenn man ein Volk in "Herrenmenschen" und "Untermenschen" auseinander dividiert, macht Thomas Darchinger anhand der Leidensgeschichte von Solly Ganor deutlich. Der wurde mit Vater, Mutter und Schwester vom Getto Kaunas ins Konzentrationslager Danzig deportiert, wo sich die Spur der beiden Frauen verliert.

Minimale Essensrationen

Die männlichen Ganors kamen ins bayerische KZ Dachau, wo sie in einem Außenlager bei minimalen Essensrationen schuften mussten: Die "Vernichtung durch Arbeit" lief hier auf Hochtouren, selbst wenn es in Dachau keine Gaskammern und keine Verbrennungsöfen gab. Im "Lager 10" schleppte Solly Ganors Vater Zementsäcke, er selbst fand einen weniger aufreibenden Job in der Lagerküche der "Organisation Todt" und kam vergleichsweise unbeschadet durch jene Jahre des Grauens, während um ihn herum viele Gefangene umgebracht wurden, darunter sein bester Freund.

Thomas Darchinger liest die Chronik des Massenmords an unschuldigen Menschen mit heiserer Stimme und der richtigen Mischung aus Emphase und Distanz. Er verwandelt sich in den Jungen, der vor der Zeit erwachsen werden muss und wird für viele Schülerinnen und Schüler zur Identifikationsfigur, deren Erzählung in atemloser Stille gelauscht wird. Wolfgang Lackerschmid malt dazu sehr reduzierte Klangbilder.

Dieser Lesenachmittag geht nahe, ohne die Sensationsgier mit vordergründigen Schockeffekten zu bedienen. Das Grauen schleicht sich gleichsam auf leisen Sohlen an. Auf dem berüchtigten "Todesmarsch" der Dachauer KZ-Insassen kurz vor Kriegsende verliert Solly Ganor den Rest seiner Freunde und auch den Vater — wer stürzt und nicht mehr aufstehen kann, wird einfach erschossen.

Darchinger schließt mit einem flammenden Appell: So etwas darf auf dieser Welt nie wieder geschehen.

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