Bürgerrecht auf Auskunft in der Warteschleife

23.7.2017, 10:13 Uhr
Bürgerrecht auf Auskunft in der Warteschleife

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Die Tagesordnung der letzten Stadtratssitzung vor dem Urnengang umfasst 17 Punkte. Doch über die Informationsfreiheit wird am Donnerstag kommender Woche im Plenum nicht beraten. Warum ist das so? Der vom OB mit den Details beauftragte Leitende Rechtsdirektor Jürgen Kohler war am Donnerstag und Freitag nicht erreichbar.

Möglicherweise liegt es daran, dass die Verantwortlichen im Neumarkter Rathaus — und in anderen Gemeinden des Landkreises — auf eine Mustersatzung warten, die der Kreisverband des Gemeindetages ausgearbeitet hat. Ein Entwurf ist NN-Informationen zufolge bereits von der Rechtsaufsicht des Landratsamtes geprüft worden. Veröffentlicht ist diese Mustersatzung aber noch nicht. Mehrere an dem Projekt beteiligte Bürgermeister sind derzeit in Urlaub. Der Gemeindetags-Vize, der Deininger Bürgermeister Alois Scherer, erklärte, man könne das Thema wohl erst "nach der Sommerpause" weiterverfolgen.

In die Mustersatzung des Gemeindetages sollte auch die des Bayerischen Journalisten-Verbandes (BJV) eingearbeitet werden. Der Ortsverband Neumarkt ist der Initiator bei der Einführung von Informationsfreiheitssatzungen in den Gemeinden des Landkreises. Die Grundidee der Medienschaffenden: Die Journalisten wollen sich für das verbriefte Recht der Bürger einsetzen, von den Kommunalverwaltungen nach genau definierten Regeln Auskunft zu erhalten. Der BJV sieht die Initiative aber auch als flankierende Maßnahme der Pressefreiheit.

Viele der 80 bayerischen Kommunen mit einer Informationsfreiheitssatzung haben das Auskunftsrecht jedermann, also nicht nur Gemeindebürgern, eingeräumt, so dass sich auch auswärtige Journalisten darauf berufen könnten. Diese haben gewöhnlich keinen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht. Dieses Recht schreiben aber etliche Ortssatzungen Bürgern und Journalisten ausdrücklich zu — so auch in der Gemeinde Berg, bisher die einzige Kommune im Landkreis Neumarkt, die eine Informationsfreiheitssatzung erlassen hat.

Rechnerische Stadtratsmehrheit

Auch in der Kreisstadt Neumarkt ist NN-Recherchen zufolge eine Stadtratsmehrheit dafür sehr wahrscheinlich, denn aus den beiden großen Fraktionen CSU und UPW gibt es positive Signale. CSU-OB-Kandidat Richard Graf erkennt in seiner Fraktion einen "Sinneswandel". Die Christlichsozialen im Stadtrat seien dem Thema gegenüber "wohlgesonnen". Graf: "Wir wollen das, ich kann keinen Gegenwind erkennen."

Auch die UPW-Stadträtin Ruth Dorner sieht in ihrer Fraktion "kein Problem". Die ehemalige Bürgermeisterin ist überzeugt: "Das wird sicher kommen, da kann keiner was dagegen haben." Auch der Lauterhofener Bürgermeister Ludwig Lang geht von einer Mehrheit für eine Informationsfreiheitssatzung im Kommunalparlament aus. Lang: "Ich hoffe und erwarte, dass der Marktrat da mitmacht, ich sehe keine große Gegenwehr." Der Mühlhausener Bürgermeister Martin Hundsdorfer hat seinem Gemeinderat schon vor Wochen mitgeteilt, dass er eine kommunale Informationsfreiheitssatzung zur Beschlussfassung vorlegen wolle.

Häufig wird gegen das förmliche Auskunftsrecht argumentiert: "Bei uns" werde niemandem eine Information vorenthalten. Stimmt das auch immer? Der moderne Rechtsstaat räumt den Bürgern verbriefte Rechte ein, auf die sich jeder berufen kann. Niemand ist dann auf das reine Wohlwollen — oder die Willkür — der Verwaltung angewiesen. Auch die Rathausmitarbeiter haben mit einer Satzung absolute Rechtssicherheit. Hinweise auf eine angeblich unzumutbare Flut von Anfragen gibt es nirgends. Die Gemeindeverwaltungen können die Bürgerwünsche gut bewältigen.

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