Das Neumarkter Stehcafé sagt ganz leise Ade

18.6.2018, 09:57 Uhr
Das Neumarkter Stehcafé sagt ganz leise Ade

© Foto: Fritz-Wolfgang Etzold

Roland Ochsenkühn sieht die Situation pragmatisch: "Die Sanierung des Hauses hätte mich einen sechsstelligen Betrag gekostet. Bis ich das zurück gezahlt hätte – nein, das war mir das Ganze dann doch nicht wert." Also hat er das Haus mit dem Tabak erntenden, bunten Pärchen auf der grünen Fassade verkauft, das Schicksal des Hauses ist damit klar: "Der neue Besitzer will es abreißen und was Neues bauen."

Gekauft hatte das Haus ursprünglich Rudolf Allmann, der Großvater. 1936 müsse das gewesen sein, sagt Hedwig Ochsenkühn, die dort als Hedwig Allmann 1938 das Licht der Welt erblickte. Den Familienwohnsitz ereilte zu Kriegsende das Schicksal fast aller Häuser in der Altstadt: Die brannte lichterloh von einer Ecke bis zur anderen, weil die Nazis nicht vor den anrückenden Amerikanern wichen und diese sie in Brand schossen.

"Wir haben die Steine abgeklopft und das Haus wieder aufgebaut", sagt Hedwig Ochsenkühn, die die gute Seele des Stehcafés war. Sie war lange Jahre für die Snacks und Kleinigkeiten zuständig, die es gab, kochte in der kleinen Küche hinter dem Tresen auf, schenkte ein, bediente, ratschte mit den Gästen.

Das Stehcafé war für die Stammgäste sowieso so etwas wie ihr Wohnzimmer, eine große Wohngemeinschaft, eine Nachrichten-Börse. Und dann gab es vorne noch den Lotto-Laden mit den Regalen voller Zigaretten und Zigarren, die Zeitschriften-Regale und die Zeitungsständer.

Die meisten verknüpften alles miteinander: Erst Zigaretten kaufen, den Lottoschein mit ins Café nehmen, ausfüllen bei einem Glas Weißbier oder Hellem, dazu ein paar rauchen und mit den Nachbarn am Stehtisch über Gott und die Welt philosophieren. Über den Lottogewinn beispielsweise, den es nie gab, aber was man damit hätte machen können. Legendär auch der Faschings-Dienstag, da war was los.

Einen Schnitt gab es mit dem Nichtraucher-Schutzgesetz, als plötzlich im Café hinter dem Tabakwaren-Laden das Rauchen verboten war. "Da sind viele nicht mehr gekommen, da hat viel Umsatz gefehlt", schimpft eine Frau, die am letzten Tag noch zum Verabschieden gekommen ist. "Gell, Hedi, mir sehn uns", fragt sie die Senior-Chefin, der es auch ganz weh ums Herz ist. "Irgendwo laufen wir uns immer über den Weg", sagt sie und lacht.

Und der Rolo? Der hat die nächsten Tagen alle Hände voll zu tun. Am Sonntag stand noch einmal gemeinsames Fußball-Schauen auf dem Programm, ab Montag wird das Laden-Lokal geräumt.

Alles muss irgendwo untergebracht werden, die zahlreichen Reklame-Tafeln, die Spiegel, die Zigaretten und Zigarren – sie müssen so gelagert werden, dass sie nicht an Feuchtigkeit verlieren. Und dann? "Dann sehen wir uns auf dem Volksfest wieder", sagt Roland Ochsenkühn lachend. Denn den Tabakwaren-, Schnaps- und Spielzeugstand im Durchgang zwischen den Jurahallen, den wird er weiter betreiben.

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