Das schwarze Gold vom Wurzhof darf gekostet werden

25.6.2016, 16:29 Uhr
Das schwarze Gold vom Wurzhof darf gekostet werden

Auf dem Wurzhof leben derzeit 67 Männer und Frauen zwischen 19 und 84 Jahren. Einige Bewohner, darunter auch viele Rentner, helfen mit bei der Herstellung von Selbstgemachtem, das später im Hofladen sowie auf Märkten und Festen der Region verkauft wird. Beim Marmeladen einkochen, Saft pressen aber auch Kaffee rösten finden die Frauen und Männer eine sinnvolle Aufgabe. „Damit erfüllen wir eine wichtige Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention“, informiert Uwe Niederlich, Leiter des Wurzhof.

Seit Anfang April gibt es das neue Beschäftigungsfeld, zur großen Freude von René Rösch. Der 38-Jährige ist ein Kaffeefan. Er mag den Duft von frischen Bohnen und verbringt gerne Zeit in der Rösterei mit Heilpädagoge Ralph Bärthlein. Bärthlein ist der Barista, der Kaffeeröster vom Wurzhof. Er bestellt die Rohbohnen der Sorten Arabica und Robusta bei einem Großhändler in der Hamburger Speicherstadt, stellt die Mischungen zusammen und überwacht den Röstprozess. Das Know-how hat er sich größtenteils selbst erarbeitet, aber das Wurzhofer Kaffeeteam wird auch von einem Nürnberger Kaffeeröster unterstützt.

Arbeit gegen Wissen

„Es ist ein Tausch, Arbeit gegen Wissen“, sagt Bärthlein. „Wir kleben Etiketten auf seinen Kaffee und im Gegenzug gibt uns Armin Machhörndl Tipps, wie die Mischungen harmonisch werden und worauf wir bei der Röstung achten müssen.“

Espresso Nr. 1, Hausmischung oder Kolumbien Supremo Medellin heißen die Kaffeemischungen – insgesamt fünf Sorten des schwarzen Goldes hat der Wurzhof derzeit im Angebot, als ganze Bohne oder gemahlen.

Das schwarze Gold vom Wurzhof darf gekostet werden

© Fotos: Heike Reinhold

René Rösch verpackt den Kaffee. Mit einer kleinen Waage misst er genau 250 Gramm ab. Er schöpft die schwarzen Bohnen mit einem Messbecher aus einem großen Eimer und lässt sie vorsichtig in die schwarze Tüte rieseln. Nach zehn Packungen lässt die Konzentration nach und er macht eine kleine Pause. Er stellt sich neben Ralph Bärthlein und beobachtet ihn bei seiner Arbeit am Röster, den die Firma Thiel Fassadenbau aus Feucht gespendet hat.

Plötzlich macht es „plop“ aus der gasgetriebenen Maschine. „Hört sich an wie Popcorn“, sagt Bärthlein – ist es aber nicht. Vielmehr ist es der sogenannte first crack. Bei 180 Grad Celsius brechen die Bohnen mit einem leisen „plop“ der Länge nach auf. Zu diesem Zeitpunkt ist der Geschmack der Bohnen intensiv, aber sie enthalten auch viele Säuren. Der ganze Vorgang dauert zehn bis 13 Minuten. „Die Kunst des Röstens liegt darin, den Geschmack bestmöglich zu erhalten und die Säuren rauszurösten“, erklärt der Barista. Wie das genau funktioniert, bleibt das Geheimnis von Bärthlein und seinen Kollegen – insgesamt besteht das Team aus 13 Männern und Frauen.

Fleißige Schäler

Adolf Graf gehört zum Kaffeeteam. Eigentlich ist der 78-Jährige schon im Ruhestand. Aber auch für ihn ist es eine Freude, in der Rösterei zu helfen. Tagsüber, wenn er die Seniorentagesstätte besucht, schaut er immer wieder ums Eck und beschäftigt sich voller Eifer mit den grünlichen Rohbohnen. „Ich habe mit meinen Freunden schon zehn Kilo geschält“, berichtet der langjährige Bewohner des Wurzhof.

Eine zusätzliche Motivation ist sicher auch, dass sich die Mitglieder des Kaffeeteams mit dem Geld aus dem Kaffeeverkauf besondere Wünsche erfüllen können. „Ich will mit meinen Freunden wieder ein Eis essen gehen“, erzählt Graf. Und wenn der Verkauf erst angelaufen ist, ist vielleicht auch mal ein größerer Ausflug möglich. Ralph Bärthlein denkt zum Beispiel an eine Fahrt ins Kaffeemuseum nach Hamburg. Das letzte Wort bei der Bestimmung des Ziels haben aber René Rösch, Adolf Graf und die anderen fleißigen Mitarbeitenden des Kaffeeteams.

Lust auf Kaffee? Am Sonntag, 26. Juni, beim Jahresfest sowie Pfarr- und Gemeindefest Postbauer-Heng auf dem Wurzhof haben Interessierte zum ersten Mal die Gelegenheit, den Wurzhof-Kaffee zu verkosten.

Der Tag beginnt um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Scheune, es spielt der Posaunenchor Oberferrieden. Verkauft werden verschiedene Speisen, kalte Getränke sowie Kaffee und Kuchen. Ab 14 Uhr spielt die Band 2ndLine & Helen’s Horns.

 

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