Dem Neumarkter Michl auf den Zahn gefühlt

22.5.2018, 09:27 Uhr
Dem Neumarkter Michl auf den Zahn gefühlt

© Foto: Andreas Seitz

Dass man ausführlich und wissenschaftlich fundiert über diesen J. W. Michl und seine Familie Bescheid weiß, verdankt man Marius Schwemmer: einst Abiturient in Neumarkt, dann promoviert über diesen "Komponisten von vielem Kopfe", heute in Passau Dommusikdirektor und seit vorigem Jahr Präsident des "Allgemeinen Cäcilien-Verbands für Deutschland".

Jetzt hat der Leiter der Kirchenmusik von St. Johannes, Peter Bruckschlögl, mit dem Münsterchor und -orchester auf den sonst weitgehend vergessenen Neumarkter Michl zurückgegriffen und zeigte, wie eine Messe für die Verhältnisse und Anforderungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu klingen hatte. Überraschend und überzeugend beginnt sie mit dem Kyrie in einem Sturmlauf aller Mittel, die die Besetzung aufbieten kann – volles Orchester, Vokalquartett, möglichst stimmgewaltigem Chor. Eingebettet in die Liturgie ist das, auch im nachfolgenden Gloria nicht eine betuliche Messen-Untermalung, sondern streckenweise ein durchaus faszinierendes Stück mit fast opernhaften Zügen.

Was nicht weiter wundert, denn Michl hat in München auch Opern und Singspiele komponiert: Besonders das Tenorsolo zeigt Michls Vorstellungen davon, wie man am kurfürstlich-hauptstädtischen Hof und für dessen kirchenmusikalische Bedürfnisse zu komponieren hatte. Der Tenor der Neumarkter Aufführung, Michael Kalmbach, realisiert das mit stramm geführter, klar ansprechender Stimme.

Leopold Mozart allerdings meinte zu seinem Sohn, wenn Michl mal eine richtige Oper schreiben würde, dann hätte es sich sowieso "ausgemichelt". Dem Kurfürsten Maximilian III. Josef hat das aber offenbar gefallen und genügt. Als Wolfgang Amadeus Mozart ihn nach einer festen Anstellung fragte, redete er sich mit "keine Vacatur" heraus – also (auch wegen Michl) nichts frei.

Verarmt zurückgekehrt

Zwei Jahre später hat München Mozarts "Idomeneo" uraufgeführt, und ein bisschen erinnert Michls Messen-Sturm an dessen Ouverture. Aber da war 1780 der Oberpfälzer schon in Pension und nach Weyarn versetzt worden. Verarmt ist er schließlich nach Hause zurückgekommen, war außerhalb des Unteren Tors beerdigt und nach Auflassung des alten Friedhofs wohl in einem Massengrab beigesetzt worden. Das war nach 1816 zu einer Zeit, als auch Jean Paul Egide Martini, der aus Freystadt nach Frankreich gezogen war, seine "Messe Solennelle" geschrieben und aufgeführt hatte.

Die Michl-Wiedergabe von Peter Bruckschlögl macht straff und tempobetont deutlich, dass Michl nicht mehr nur verschnörkeltes Rokoko komponiert hat, sondern im Stil der vorklassischen Bachsöhne- und Mozartzeit gut festlich-getragene Feierlichkeit komponieren konnte (Sanctus): nicht nur in donnerndem Forte, sondern durchaus in melodischer Eleganz. Da bewährt sich besonders der Münsterchor in stabiler Intonationssicherheit und Stimmkraft. Er wird ja im Herbst mit dem Philharmonischen Chor Nürnberg im türkischen Antalya gastieren. Die Streicherbegleitung lebt ganz aus dem Stil des jungen Mozart heraus, das Solistenquartett hat besonders im Benedictus, hier zumal im Qui-tollis-Duett von Sopran und Alt (Michaela Zeitz und Renate Kaschmieder) schöne vokale Möglichkeiten, die Lust darauf machen, diese oder eine andere Michl-Messe nächstens in ununterbrochener Folge konzertant zu hören.

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