Der Mutterinstinkt kann gefährlich werden

1.8.2014, 11:00 Uhr
Der Mutterinstinkt kann gefährlich werden

Die 45-Jährige war mit ihrem Hund, einem Cherry-Bullterrier, unterwegs, als sie der grasenden Herde offenbar zu nahe kam.

Zwar ist ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen den Besitzer der Rinder eingeleitet worden, aber das dürfte im Sande verlaufen. Die Frau wurde wohl Opfer des Beschützerinstinkts der Rinder und eigener Unerfahrenheit im Umgang mit den Tieren, die bis zu 800 Kilo Muskeln, Sehnen und Knochen auf die Waage bringen können. Tragische Vorfälle wie dieser Art passieren immer wieder.

Den Wolf im Hund

Möglich, dass die Kühe so aggressiv reagierten, weil sie im Hund den Wolf sahen, oder besser rochen. Doch dass die sonst so sprichwörtlich sanften und gutmütigen Weidetiere grundsätzlich Menschen nicht angreifen, wie ein um den Tourismus besorgter Behördenvertreter aus dem Stubaital sagte, stimmt so nicht.

Johann Paulus, der am Amt für Landwirtschaft und Ernährung Neumarkt Landwirte mit Viehhaltung berät, überrascht der traurige Vorfall in den Alpen nicht. Jeder Bauer wisse, dass er bei Muttertieren, die ein Kalb führen, höchst vorsichtig sein muss. In unterschiedlich ausgeprägter Aggressivität, je nach Charakter, beschützen die Kühe ihre Jungen. Erst letztes Jahr wurde eine Bäuerin im Gebiet der Großgemeinde Freystadt in der Abkalbbox von dem Muttertier angegriffen und schwer verletzt. Es gab in den letzten Jahren eine Reihe ähnlicher Vorkommnisse, mit allerdings weniger gravierenden Folgen.

Deshalb gehen erfahrene Landwirte in der Regel nur mit einem Stock zur Abwehr bewaffnet in den Stall zu den Kühen mit Kälbern.

Der Beschützerinstinkt sei noch viel ausgeprägter bei den Tieren, die auf der Weide gehalten werden, weiß Paulus. In dieser natürlichen Umgebung achten die Tiere aufmerksamer auf die vermeintlich natürlichen Gefahren, die ihnen und vor allem ihrem Nachwuchs außerhalb des schützenden Stalls drohen könnten. Die Ur-Instinkte sind wacher. Und als potenzielle Gefahr für ihre Jungen würden die Kühe auf der Weide auch fremde Menschen sehen.

Dann kann es zu einem solchen Unglück wie jetzt in Österreich kommen, das Folge eines typischen Verhaltens von Herdentieren ist. Die erwachsenen Tiere taten sich zusammen, um die Kälber gegen die Feinde, in diesem Fall die Spaziergängerin mit ihrem Hund, zu verteidigen.

Paulus rät deshalb Wanderern und Radlern, die umzäunte Weiden passieren, auf keinen Fall über den Zaun zu steigen. Wenn sie sich den Tieren nähern wollten, dann nur in Begleitung des Landwirts. Den kennen die Kühe und seine Anwesenheit beruhigt sie – meistens jedenfalls.

Begegnungen von Menschen und großen Weidetieren sind nicht selten im Landkreis Neumarkt. Johann Paulus schätzt, dass es zwischen Berg und Dietfurt rund 125 Landwirte gibt, die ihre Rinder auf die Weide schicken. Die Mehrzahl, etwa 100, sind Muttertierhalter. Kälber können das ganze Jahr dabei sein, denn bei unseren domestizierten Rindern gibt es keine festen Brunftzeiten und keine Saison des Kalbens.

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