Die Spielsucht ist ein schleichendes Gift

30.8.2011, 10:19 Uhr
Die Spielsucht ist ein schleichendes Gift

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Die Spielsucht ist auch ein schleichendes Leiden. Vom Gelegenheitskartler bis zum Zocker, der Haus und Hof versetzt, ist es ein langer Weg. Die Kommunen versuchen bisher vergeblich, ihn nicht noch zu erleichtern.

Zunächst ist es die Entscheidung des Einzelnen, sein hart verdientes Geld einem einarmigen Banditen in den Rachen zu werfen. Aber es bleibt nicht allein sein Problem, oft hängt das Schicksal einer Familie dran.

Der Verwaltung und dem Stadtrat von Kommunen wie Neumarkt sind aber nicht viele Möglichkeiten an die Hand gegeben, zu verhindern, dass an allen Ecken und Enden Spielhallen aus dem Boden schießen. In Kerngebieten wie der Altstadt ist der Betrieb von Vergnügungstätten, zu denen auch Spielhallen zählen, grundsätzlich zulässig. Bei Leerständen sind sie oft die schnellste Lösung. Allenfalls über die Bauleitplanung kann gegengesteuert werden, wenn etwa eine zumutbare Zahl von derartigen Betrieben überschritten ist. Aber der Paragraf ist ziemlich weich. Die Bauleitplanung dürfe nicht vorrangig negativ sein, sagt Rechtsdirektor Jürgen Kohler. Mit der Aussage, „das wollen wir nicht“, komme die Stadt bei keinem deutschen Gericht durch.

Aktueller Fall ist der Antrag, eine Annahmestelle für Pferdewetten an der Ecke Oberer Markt/Viehmarkt zu eröffnen. In der letzten Bausenatssitzung wurde der Antrag zurück gestellt, weil noch einige Unterlagen fehlten. „Aber im Prinzip“, sagt Helmut Senft aus dem Bauamt, „ist dagegen nichts einzuwenden.“

Sportwetten von privaten Anbietern sind dagegen in Bayern und im ganzen Bundesgebiet verboten. Aber wer sich im Internet halbwegs zurecht findet, kann dieser Leidenschaft dort frönen und etwa über die Kayman-Inseln sein sauer verdientes Geld los werden.

Der Staat spielt bei der Thematik eine sehr undurchsichtige und unglückliche Rolle. Das staatliche Glücksspiel-Monopol ist ausgesprochen pharisäerhaft. Das wurde auch schon vom europäischen Gerichtshof kritisiert. Denn es ist nicht einzusehen, dass sich strafbar macht, wer im Hinterzimmer um hohe Summen zockt oder das organisiert, während es ohne strafrechtliche Konsequenzen bleibt, wenn ein Mensch seine Familie im staatlichen Casino an den Bettelstab bringt.

Spielsucht ist weniger auffällig als die Abhängigkeit von Alkohol und Drogen. So kommen Organisationen, die helfen können, meist erst mit den Betroffenen zusammen, wenn die Folgen der Sucht nicht mehr zu übersehen sind. Die Schuldnerberatung bei der Caritas sei so ein Anlaufpunkt, sagt der Leiter der Kreisstelle in Neumarkt, Bernhard Schinner. Er weiß auch, das die Suchtberatung der Diakonie sich mit etlichen Fällen herumschlagen muss und verweist auf das Gesundheitsamt, wo viele Fäden zusammen laufen.

Es lief nicht

Suchtberater Norbert Römer rätselt immer noch, warum eine vor zwei Jahren von einem Betroffenen gegründete Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige, anders als die gut arbeitenden Gruppen Alkoholkranker oder Drogenabhängiger, nicht lief. „Wir wissen von vielen Fällen, bei denen sich oft Schulden in beträchtlicher Höhe angehäuft haben. Aber für den Schritt, sich bei Leidensgenossen Rat und Hilfe zu holen, sei wohl die Hemmschwelle zu hoch. „Vielleicht“, so Römer, „fehlt auch der Leidensdruck.“ Denn die Spielsucht habe zunächst keine körperlich spürbaren Auswirkungen.

Römer und Schinner bedauern es, dass die Städte und Gemeinden weitgehend machtlos seien. Bei den regelmäßigen Treffen mit den Kommunalpolitikern werde immer wieder der Wunsch laut, dass der Gesetzgeber das ändere. „Denn“, so Römer, „ähnlich wie auch bei Alkohol und Drogen spielt die Verfügbarkeit eine große Rolle.“ Der Einstieg in die Spielsucht beginne mit einem gelegentlichen Versuch mit ein paar Euro am Automaten neben der Theke.

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