Domspatzen begeisterten Freystädter Publikum

20.9.2016, 10:15 Uhr
Domspatzen begeisterten Freystädter Publikum

© Foto: Anne Schöll

Der über tausend Jahre alte Domchor kann auch hier auf ein Stammpublikum zählen. Das lässt sich nicht irritieren durch die Nachrichten aus dem Intimbereich der Knabenchöre. Sondern hofft auf die vokalen Qualitäten in einem „Geistlichen Konzert“ (leider ohne Werke von Jean Paul Egide Martini), für die der Chor seit Georg Ratzingers Zeiten und fast 25 Jahren unter Roland Büchners Händen berühmt ist.

Gerade legt sein bayerischer Antipode aus Windsbach das neue Saisonprogramm vor, da kratzen die Helfer in der Freystädter Wallfahrtskirche die letzten Plätze für Spontanbesucher zusammen. Wer rechtzeitig gekommen ist, hat Muße, sich an der Architektur und Ausgestaltung dieser Kirche zu erfreuen. Dann aber an einem gemischten Chorprogramm mit zeitgenössischen ungarischen Schwerpunkten, romantischem 19. Jahrhundert, den großen barocken Klassikern Tomas Luis de Victoria, Johann Pachelbel oder Palestrina und einer deutlichen Huldigung an den vor 100 Jahren verstorbenen Max Reger. Hier im Freystädter Programm der Regensburger Domspatzen waren vier mehrstimmige Chorsätze ein wunderbarer Beweis für die spirituelle Kraft von Regers Musik und für die Gestaltungskraft von Büchners 60 Domspatzen.

An Reger bewies sich die Fähigkeit des Chors zu nobler Schlichtheit der religiösen Empfindung („Wir glauben an einen Gott“), zu kraftvollen vokalen Aufschwüngen, zu feinsten dynamischen Schattierungen. Sehr anrührend war das bei dem dreistimmigen Knabenchor „Im Himmelreich ein Haus steht“, packend artikuliert in „Die Nacht ist kommen“ mit einer ergreifenden Sehnsucht nach beschützter Ruhe und fröhlichem Erwachen. Zu dieser nie gekünstelten Schlichtheit hat nach Reger kaum jemand kompositorisch gefunden — und die Domspatzen finden den richtigen Ton dafür. Genauso wie für die dunkle Endzeit- und Ewigkeitsstimmung von „Der Mensch lebt und bestehet“: Ihre Wiedergabe lässt ergriffen innehalten – bei aller sonstigen Chorpracht waren diese Reger-Chöre der spirituelle Höhepunkt. Aber ohne Smartphone-Erinnerung kommt das Publikum selbst da offenbar nicht aus.

Glaubensfeste Fröhlichkeit

Auch im übrigen Programm zeigten sich die Chorstimmen völlig unangekratzt vom plötzlichen Temperaturwechsel. Mit einem vierstimmigen „Cantate Dominum“ setzt man auf glaubensfeste Fröhlichkeit, die durch die Weiten der Kirche braust. Ob bei den traditionsverhafteten Chorsätzen von Laszlo Halmos oder den Renaissance-Kunstwerken des Tomas Luis de Victoria oder seines italienischen Zeitgenossen Marco Antonio Ingegneri, einem Lehrer Claudio Monteverdis aus Verona, überlässt Büchner bei dem im Halbrund aufgestellten Chor etwas dem Zufall. Hier wird nicht nur zuverlässige Probenbasis abgerufen, sondern auch spontan und intensiv geformt: sehr exakt, emotional, genau dimensioniert.

Nichts hat der Chor von seiner wunderbaren Tradition verloren, die schon zu Ratzingers Zeiten gerade im romantischen Bereich zu großartigen Ergebnissen geführt hatte: bei Mendelssohn Bartholdy oder Josef Rheinberger. Der Akzent auf ungarische Komponisten des 20. Jahrhunderts brachte in Freystadt nicht nur das Erlebnis von Chorfülle, sondern auch von chorischer Beweglichkeit zutage – Stücke, die bei allen Schwierigkeiten in der Intonation und Artikulation auch den Sängern spürbar Spaß machen. Büchners suggestive Leitung erbrachte eine erstklassige musikalische Realisierung ohne dressierte Strenge — selbst in achtstimmiger Auffächerung.

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