Ein Dorf verschwand von der Landkarte

6.2.2012, 09:48 Uhr
Ein Dorf verschwand von der Landkarte

© Fritz Etzold

Kreisheimatpfleger Rudi Bayerl weiß, wo er zunächst anklopfen muss. Hans Pröpster aus Pavelsbach erforscht schon viele Jahre die Geschichte seiner näheren Heimat und hat aus verschiedenen Quellen viel über St. Cäcilia ausgegraben. Demnächst wird er damit an die Öffentlichkeit gehen. Den Neumarkter Nachrichten hat Pröpster seine vorläufigen Notizen offengelegt.

Fundamente aus Stein?

Die Hobbyarchäologen wollen auf der jetztigen Ackerfläche um die Kirche bis runter zum Kesselbach versuchen, noch Reste des ehemaligen Dorfes zu finden. Man könne, sagt Rudi Bayerl, davon ausgehen, dass damals, vor fünf Jahrhunderten zumindest Steinfundamente für die Bauernhäuser gelegt wurden, um darauf einen Aufbau aus Holz oder Fachwerk zu setzen.

Wann genau das Dorf Kyrstetten (auch Chirstet, Kirchstetten, Kirstetten oder Keyerstetten genannt) dem Erdboden gleich gemacht wurde, lässt sich derzeit nicht sagen. Auf einem Messingschild an der Kirche steht das Jahr 1552. Damals sollen marodierende Soldaten Dorf und Kirche verwüstet haben. Andere Quellen sprechen davon, dass Kyrstetten während der Bauernaufstände von 1522 bis 1525 zerstört worden sein soll. Es ist überliefert, dass Bauern aus Pavelsbach sich den Rebellen angeschlossen hatten, die 1525 am Kauerlacher Weiher vernichtend geschlagen wurden.

Rudi Bayerl mag diesen Datierungen nicht so recht glauben. Er hält es für wahrscheinlicher, dass Kyrstetten in die Mühlen der Landshuter Erbfolgekriege geriet, die zwischen 1503 und 1505 tobten. Damals versuchten die erstarkten Nürnberger, sich auch Neumarkt einzuverleiben. Gut möglich, meint Bayerl, dass Kyrstetten quasi so nebenbei abgefackelt wurde.

Hans Pröpster geht aber auch Hinweisen nach, die davon sprechen, dass die Verwüstung des Dorfes sich in der Zeit nach der Reformation ereignete, als die Menschen ungefragt die Religionszugehörigkeit wechseln mussten, wie es ihren Herren gefiel. Später wurde die Zerstörung von Kyrstetten von den Katholiken den „Lutherischen“ angelastet. Aber das sei mit Vorsicht zu genießen.

Land entvölkert

Ganz sicher aber war nach dem 30-Jährigen Krieg von Kyrstetten, das 1209 erstmals urkundlich erwähnt worden war, nichts mehr zu sehen. In dieser schrecklichen Zeit wurde der ganze Landstrich entvölkert. In Heng und in Postbauer lebten, als sich der Pulverdampf und Pestgeruch verzogen hatte, jeweils gerade noch sechs Menschen, in Pavelsbach immerhin noch 20.

In jenen Tagen gab es keine Genfer Konvention, die Zivilisten in Kriegszeiten auch nur theoretisch geschützt hätte. Die Söldnerheere, die sich aus dem Land verpflegten, legten wenig Zimperlichkeit an den Tag. Gut möglich, wagt Bayerl zu vermuten, dass die Kyrstettener allesamt abgemurkst wurden. Dass das Dorf mit vermutlich nicht mehr als vier oder fünf Bauernhöfen nach der Vernichtung, wann auch immer, nicht mehr aufgebaut wurde, könnte ein Hinweis auf so ein Massaker sein, wie es damals an der Tagesordnung war, muss aber nicht.

Geblieben ist der Friedhof und die Ruine der Kirche, die vorübergehend sogar als Wohnhaus genutzt wurde. Von einem Ulrich Rieß hieß es 1559, er wohne dort und ihm sei am 4. Juni eine Tochter namens Katharina geboren worden.

Die Geschichte der Kirche St. Cäcilia liegt weitgehend im Dunkeln. Hans Pröpster will nicht ausschließen, dass sie, mitten in uraltem keltischen Kulturraum und nahe am Kesselbach gelegen, als frühchristliche Taufkirche an einem Ort entstand, wo sich vorher ein heidnisches Heiligtum befand. Das sei durchaus nicht unüblich gewesen.

Ende des 16. Jahrhunderts wurde vermutlich unter der Ägide des Deutschen Ordens mit dem Wiederaufbau der mit dem Dorf zerstörten Kirche begonnen. 1608 wurde der abgeschlossen. Die Einweihung war aber erst am 26. Juli 1682.

Bereits im Jahr 1608 wurde der Pavelsbacher Friedhof auf die trockene Anhöhe um St. Cäcilia verlegt — zur „Kappl“, wie der Pavelsbacher auch heute noch sagt.

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