Eine große kleine Dame

25.1.2010, 00:00 Uhr
Eine große kleine Dame

© Wagner

Was bei vielen Bluesern, die diesen Song covern, in einer aufgesetzten Pseudebetroffenheit endet, passt bei der 79-jährigen Jeanne Carroll. Unaufhaltsam wie eine Dampflokomotive stürmt sie durch ihr Programm, die Musiker von Blue Heat, die fast ihre Enkel sein könnten, dirigierend, mitreißend da ist ein «Yeah Baby» kein peinliches Füllsel, sondern einfacher, sprachlicher Ausdruck, glaubwürdig bis zur letzten Silbe.

Die in Ruleville, Mississippi geborene Jeanne Carroll führt den Blues zu kraftvollem Ausdruck zurück. «Wenn Du glaubst, dass Du traurig bist, dann hör Dir mal das an», fordert Sie ihre Zuhörer auf Englisch auf und das Publikum folgt ihr. Trotz uraltem Songmaterial, der Groove kommt dank der Emotion und des ansteckenden Optimismus in der Performance der Power-Frau authentisch an. Der Blues wirkt nicht angestaubt, trotz zweiminütiger Gitarrensoli.

Natürlich dürfen auch die Blue Heats ein bisschen solo glänzen. Dann wird es rockiger, funkiger und noch etwas jazziger. Gut hört sich das an. Sehr gut sogar. Aber die Attraktion des Abends ist die große kleine, alte Dame, die spitzbübisch grinsend auf der Bühne steht, mitklatscht, die Fäuste hochreißt und diesen ganzen Bluestrain mitzieht.

Bei der letzten Zugabe, «Money» von Barrett Strong, tobte das Kish und man glaubte der Frau da vorne jedes Wort des Textes. Eine einmalige Erfahrung. Frauen wie Jeannie Carroll sind selten geworden. Sie lässt einen spüren, was die Faszination des schwarzen Blues und Jazz war - indem sie ihn auferstehen lässt. Und dank Blue Heat ist er im Kish zur vollen Geltung gekommen.