Einser im Aufsatz mit 20 Rechtschreibfehlern?

8.12.2016, 14:15 Uhr
So wie sich diese Figuren am Wort Rechtschreibung zu schaffen machen, pflegen immer mehr Schüler einen zumindest eigenwilligen Umgang mit der deutschen Sprache.

© dpa So wie sich diese Figuren am Wort Rechtschreibung zu schaffen machen, pflegen immer mehr Schüler einen zumindest eigenwilligen Umgang mit der deutschen Sprache.

Mit Blick auf die Leistungen der Pennäler und Abiturienten in den vergangenen zehn bis 20 Jahren kann der Leiter des Parsberger Gymnasiums, Josef Gloßner, schwindende Rechtschreibkenntnisse nicht feststellen. Der richtige Einsatz von Orthografie und Interpunktion werde heutzutage beim Schreiben von Aufsätzen zusammen mit der „kreativen Textproduktion getestet“, berichtet Gloßner, der selbst Deutschlehrer ist. Die Leistungen seien keinesfalls so katastrophal, dass die für die „Berufsausübung hinderlich“ seien, meint der Parsberger Schulleiter.

Gloßners Kollege Bernhard Schiffer vom Neumarkter Willibald-Gluck-Gymnasium räumt allerdings schon ein, dass in letzter Zeit die Zahl der Schüler angestiegen sei, die mehr Schwierigkeiten mit dem Setzen von Kommas, mit dem Satzbau oder anderen Details der Rechtschreibung hätten — während dennoch ein hoher Prozentsatz der Gymnasiasten im Laufe ihrer Schulkarriere ihre Leistungen deutlich verbessern.

Bei der Suche nach Gründen für schwindende Rechtschreibefähigkeiten stützt sich Bernhard Schiffer nicht auf Ursachenforschung mit Hilfe von Studien, sondern auf seine eigenen — begründeten — Hypothesen.

Demnach stellt der WGG-Direktor einen tiefgreifenden Wandel des Lese- und Schreibverhaltens der jungen Menschen fest. Durch TV-Nutzung und Verwendung von Computern und Tablets würden Schüler einerseits weniger lesen und andererseits wesentlich mehr schreiben als früher, meint Bernhard Schiffer. Dies ergebe sich durch die Benutzung von sozialen Medien und Kommunikationsdiensten wie Facebook und Whatsapp. Dabei erwarte der Empfänger von Nachrichten weniger den korrekten Einsatz von Rechtschreibregeln als die „eindeutige Kommunikation“. Schiffer: „Da ist die Erwartungshaltung der Gesellschaft grundsätzlich gesunken.“

Der WGG-Schulleiter hält es auch für denkbar, dass durch die allgegenwärtigen Korrekturprogramme bei der Textverarbeitung quasi die „Gehirne ausgelagert“ würden. „Die Schüler sind deswegen nicht dümmer“, ist sich der Direktor sicher. Und der Deutschlehrer gesteht zu, dass die Rechtschreibung beim Abitur tatsächlich nicht mehr den früheren Stellenwert habe. Wichtiger seien die Inhalte der Aufsätze. „Solange jemand gedanklich etwas Vernünftiges liefert, kann er mit 20 Rechtschreibfehlern immer noch einen Einser bekommen.“

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