Ex-Mühlhausener Stefan Graser brachte Orgel zum Grooven

4.5.2015, 11:15 Uhr
Ex-Mühlhausener Stefan Graser brachte Orgel zum Grooven

© Foto: Anton Karg

Der gebürtige Mühlhausener Stefan Graser zeigt mit Alexander Fuchs (Kontrabass) und Jan Brill (Schlagzeug) einen rundweg gelungenen Einblick in sein musikalisches Schaffen, etwa eigene Kompositionen wie zum Beispiel „Mars Mond“. Das Stück beginnt geheimnisvoll und kulminiert nach einem langen Crescendo in einer kollektiven Improvisation. Es schildert eine Szene, in der sich die Landeinheit vom Raumschiff abkoppelt und dem roten Planeten entgegenfliegt.

Oder „Waldfrucht“: Dieser Titel handelt von der leichten Angst, die einen in einem dichten Wald übermannen kann. Das stark synkopierte Thema vom Kontrabass steht im Kontrapunkt zu tiefen Oktaven des Klaviers. Nach einer archaisch anmutenden, mit dem Bogen gestrichenen Improvisation des Kontrabasses, wechselt die Band abrupt den Rhythmus. Es folgt ein atemberaubendes Klaviersolo in hohem Tempo. Tiefschürfend dann ein religiöser Gesang aus dem alten Ugarit (rund 2000 vor Christus), dem heutigen Syrien, verbunden mit dem Seikilos-Lied, das zwischen 200 vor und 100 nach Christus in eine Stele in Thalles (Kleinasien) erstmals in einer Art musikalischer Notation gemeißelt worden war.

Das Stück beginnt mit dem älteren der beiden Lieder. Nach einem Solo erklingen sie ineinander verwoben, so als ob sie zusammen gehören würden. „Bei all dem Jazz darf natürlich meine Liebe zur Kirchenmusik nicht zu kurz kommen“, sagt Graser, auch ein leidenschaftlicher Organist.

Choral arrangiert

Neben der verjazzten Version von „Segne du Maria“ und „Gottheit tief verborgen“ spielte die Band eine neue Bearbeitung des Kirchenliedes „Oh Jesu, all mein Leben bist du“. Den Choral arrangiert Graser dabei auch. „Zuerst wird die Stimmung beziehungsweise der Gestus festgelegt, den das Stück haben soll. Das geschieht bei mir einfach durch langes Spielen der Melodie mit Improvisiererei. Wenn die Stimmung festgelegt ist, wird der Choral dementsprechend reharmonisiert. Gleichzeitig wird die Form, der für die Improvisation in der Gruppe fast wichtigste Punkt, definiert“, erklärt er.

„Oh Jesu“ zum Beispiel habe er in eine 32-taktige AABA-Form gepresst. „Das ist neben der Bluesform die gebräuchlichste Form im klassischen Jazz“, sagt Graser. Die Form sei deshalb so wichtig, da sie das Netz ist, das die Musiker bei der „Impro“ zusammenhält.

Und zum Schluss des Konzerts gibt es eine weitere Überraschung: Da ertönt doch tatsächlich die deutsche Nationalhymne — kaum erkennbar, was die Akkorde betrifft. Keine Terzen drin, ob klein oder groß, eher neutrale Quarten – also weder Dur noch Moll – teilweise aneinander gereiht. Der Rhythmus im A-Bereich und auch einige wenige Töne verraten die ziemlich raffinierte Verfremdung. Gelungen. Wer Stefan Graser noch einmal erleben will, kann dies am Pfingstsonntag im Johanneszentrum in Neumarkt tun. Dort stellt der Pianist seine neues Solo-Album „Alte Nummern“ vor: eine CD nur mit Liedern aus dem Gotteslob, und vor allem mit denen, die es nicht in das neue Buch geschafft haben.

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