Gemeingefährlich – doch nicht böse, sondern krank

12.2.2019, 06:38 Uhr

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind kurz und knapp: Von Körperverletzung in vier Fällen ist die Rede und von Sachbeschädigung – doch über das Drama, das sich seit Jahren in einem kleinen Ort im Landkreis Neumarkt abspielt, könnten die Einwohner Bücher füllen.

Sie wisse gar nicht, wie viele Schläge und Tritte sie schon einstecken musste, schildert die 83-jährige Zeugin. Zwei Flaschen Schnaps trinke ihr Sohn täglich, "und oft plärrte er Tag und Nacht wie ein Ochs". Der geringste Anlass genügte: Suchte er nur vergeblich nach seinen Socken, schlug er zu, einmal drohte er seiner Mutter mit einem Obstmesser – er wurde streitlustig, während er gerade einen Apfel schälte. Drohungen wie "Ich schlag’ sie jetzt tot" oder "Ich dreh’ ihr den Hals rum, mir juckt’s schon in den Fingern" seien quasi an der Tagesordnung gewesen. Mehrfach haken die Richter nach, bis die Mutter einräumt, dass sie letztlich Angst vor ihrem Sohn habe, und sich jetzt, da er seit September 2018 in der Forensischen Klinik des Regensburger Bezirkskrankenhauses lebt, schon "wohler" fühlt.

Jahrelanges Martyrium

Bis vor fünf Jahren sei alles noch halbwegs in Ordnung gewesen, schildert die Mutter vor der 13. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth, ihr Sohn habe sich schon damals kurzzeitig im Bezirkskrankenhaus Regensburg behandeln lassen. Was die Frau, ihrer Mutterliebe geschuldet, berichtet, sieht die Staatsanwaltschaft nicht anders: Auch wenn hinter der Mutter ein jahrelanges Martyrium liegt – ihr Sohn ist kein böser Mensch, der voll schuldfähig wäre. Hier sitzt ein Mann, dem der Psychiater eine paranoide Schizophrenie attestiert. "Er war nicht in der Lage, das Unrecht seiner Taten einzusehen und danach zu handeln", heißt es in der Antragsschrift und tatsächlich fehlt es dem 57-Jährige bis heute an Einsicht in seine Krankheit.

Am 7. Februar 2018 gegen Mittag prügelte er seine Mutter aus dem Haus und als die Frau im Hof stürzte und er noch immer nicht von ihr abließ, eilten Nachbarn herbei. Am 10. März trat er in einer Einkaufspassage in Neumarkt Schließfächer ein und schlug einer Sicherheitskraft des Neuen Marktes mit der Faust ins Gesicht, am 10. Mai schließlich schlug er am Volksfest in Neumarkt einem Sicherheitsmitarbeiter mit der Faust ins Gesicht – doch vor Gericht wähnt sich der Mann als unschuldig Verfolgter. Die Mutter habe ständig hinter ihm spioniert und seine Sachen versteckt, die Sicherheitskräfte hätten ihn ständig schikaniert, vor allem der Mann vom Volksfest sei ein "Stänkerer". Er selbst war nicht betrunken, vielmehr wurden ihm K.O.-Tropfen ins Bier geträufelt. Und als er von der Polizei festgenommen wurde, habe er nicht mal sein Bier austrinken dürfen.

Die Staatsanwaltschaft hält den Mann für gemeingefährlich. Um zu verhindern, dass er erneut gefährliche Straftaten begeht, soll er in der Forensik untergebracht werden. Es gilt, die Allgemeinheit zu schützen und ihm zu heilen — daher hängt die Dauer der Unterbringung von der Gefährlichkeit des Patienten ab, Psychiater schätzen dies in Prognose-Gutachten ab. Oder um es mit den Worten der Mutter zu sagen: "Früher hat er seine Tabletten regelmäßig genommen und nicht so viel gesoffen. Er kann ja auch der feinste Mensch sein."

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