Gesichter des Karnevals in Venedig

22.1.2015, 15:00 Uhr
Gesichter des Karnevals in Venedig

© Heinrich Bähr

Alles begann 1988, als er bei einem Volkshochschulkurs von einem anderen Teilnehmer den Tipp für „gute Aufnahmen in Venedig“ bekam. Heinrich Bähr war sofort Feuer und Flamme, buchte die nächste Busreise und fand sich das erste Mal im venezianischen Straßenkarneval wieder.

„Ich zog mit meiner Kamera umher, und meine wirklich sehr leidensfähige Frau wartete geduldig auf der großen Equipment-Box mit den drei Kameras und diversen Objektiven sitzend am Markusplatz, bis ich wieder kam“, erinnert sich der heute 81-Jährige. Seine große Liebe ist immer noch dabei, allerdings ist die Ausrüstung kompakter und ihr Bewachungsposten somit überflüssig geworden.

Heute trägt er nur noch eine Leica-Kamera für Schwarz-Weiß-Aufnahmen und eine digitale Vollformatkamera mit sich herum: mit einem Fish-Eye-Objektiv, dass Motive rund wie aus einem Bullauge gesehen verzerrt, startete er seine Bildaufnahmen. Irgendwann hatte er genug von dem Runden:„Für die habe ich mir vor einiger Zeit ein 15mm-Objektiv für 10.000 Mark gekauft – eigentlich eine Spinnerei für einen Amateurfotografen. Doch so kann ich nahe an der Maske sein und dennoch bis zu 35 Meter hohe Gebäude mit ablichten.“

Der Mann mit dem schlohweißen Haar ist ein Autodidakt, das Fotografieren hat er nirgendwo gelernt: „Ich wollte immer Fotograf werden, doch 1948, als ich mit der Schule fertig war, musste ich die Lehrstelle nehmen, die eben gerade frei war.“ Und so blieb die Fotografie ein Hobby.

Vor typischen Gebäuden

Das Besondere an den Aufnahmen des 81-Jährigen, beschreibt er so: „Die Maskenbälle lasse ich aus, da sind mir die Karten zu teuer. Ich fotografiere also beim Straßenkarneval die Masken immer vor typischen venezianischen Gebäuden.“

Auch schrill bunte Bilder sucht man in Bährs Archiv und den Ausstellungen, die er des Öfteren gibt, vergeblich: Er lässt lieber Aufnahmen mit wenig Farben entstehen, teils Ton in Ton mit den Gebäuden, ohne Touristen, dafür aber mit viel Architektur im Hintergrund. „Egal, ob Santa Maria della Salute, Campanile oder Markusplatz: Die Gebäude müssen zur Bildkomposition passen“, erklärt er fachmännisch.

Mit dem Wind

Mit einigen Verkleideten zieht er durch die Straßen, um geeignete Plätze zu finden. So entstand beispielsweise 1993 ein Bild im Innenhof des Dogenpalastes: Bähr wusste von vorherigen Besuchen, von Fallwinden im Innenhof und nahm sein Fotomodell extra mit dorthin. „Die Winde haben den Umhang des Kostüms dann richtig aufgeplustert“, erinnert sich Bähr mit Blick auf das Foto und Stolz und Euphorie schwingen in den Worten.

Durch seine vielen Besuche hat der ursprünglich aus dem Rheinland kommende Mann mehr als 16.000 Bilder geschossen und Kontakte zu den Kostümierten geknüpft. „Von etlichen habe ich die Visitenkarte“, erzählt der 81- Jährige und verrät sogleich: „Hinter den Masken stecken meist keine Venezianer mehr: Rund 80 Prozent von ihnen sind Ausländer. Sie kommen aus Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich und anderen Ländern Europas.“

Auch sonst seien die wirklichen Venezianer rar geworden: „Es gibt mittlerweile unzählige Souvenirläden, aber Dinge des täglichen Lebens kriegt man als Bewohner kaum noch“, schildert Bähr den Wandel durch die zahlreichen Touristen: „Inzwischen kommen deshalb nur noch Leute die Geld haben: Sie kaufen eine Wohnung, renovieren sie und vermieten sie als Ferienappartement.“

Auch Heinrich Bähr selbst wohnt mit seiner Frau während der jährlichen etwa zehntägigen Venedig-Fotoaktion nicht in der Lagunenstadt – zu teuer und zu viel Trubel für 24 Stunden am Tag: „Da drängen sich an schönen Tagen bis zu 100.000 Besucher durch die engen Gassen. Einige werden deshalb dann zu Einbahnstraßen erklärt.“

Eröffnung ist ein Highlight

Stattdessen wohnt das Ehepaar Bähr in dieser Zeit in Punta Sabbioni – einer Ortschaft außerhalb. Jeden Morgen fährt er eine halbe Stunde mit dem Schiff hinein und abends wieder hinaus. Auch heuer wird er es wieder so handhaben.

Am Sonntag vor dem Karnevalswochenende (8. Februar) wird der Straßenkarneval in Venedig mit dem Engelsflug eröffnet. Für Heinrich Bähr immer wieder ein Highlight: „Da fliegt eine Artistin an einem Stahlseil gesichert vom Campanile zum Markusplatz und lässt auf halber Strecke Konfetti regnen. Damit ist der Fasching eröffnet.“ Und Heinrich Bähr ist wieder mittendrin.
 

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