Guttenberg: Popstar mit konservativem Weltbild

17.1.2011, 07:56 Uhr
Guttenberg: Popstar mit konservativem Weltbild

© Etzold

„Hören Sie das?“, fragt er plötzlich während seiner Festrede und hebt den Finger. Draußen ist lautes Geschrei zu hören, vor dem Maybach-Museum hat sich die Neumarkter Antifa postiert und schon vor dem Eintreffen des Ministers mit Bongo-Getrommel und lauten Parolen hören lassen, was sie von ihm hält. Guttenberg hat es nicht gehört, kann es sich aber wohl denken; „in solchen Momenten“, sagt er, stehe er besonders für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein, die sei unabdingbar. Aber er erwarte, dass diese mit Anstand und Stil genutzt werde. Das gibt Szenenapplaus.

Wie so oft bei seiner Rede. Guttenberg ist eloquent, verarbeitet schnell, was um ihn herum passiert und ist konservativ pur. Das kommt bei der CSU, die nach wie vor auf der Suche nach ihrer alten, neuen Seele ist, an.

„Nach ihren Grußworten bleiben mir nur noch Schlussworte“, hat der Minister, der gut eine halbe Stunde verspätet an der Holzgartenstraße ankam, in Richtung Helmut Jawurek und Werner Thumann gesagt (siehe Bericht Seite 2). Als „freundlich geduldeter Oberfranke in der Oberpfalz“ stellt er sich vor und erinnert daran, dass es die Neumarkter nur der „unerbittlichen Liebenswürdigkeit“ eines Landtagsabgeordneten Albert Füracker zu verdanken hätten, dass er da sei.

Nun also ist er da und der Rummel um Guttenberg nimmt fast schon Züge wie im Pop-Business an. „Darf ich mit Ihnen fotografiert werden?“, bittet der eine, „bitte ein Foto mit Ihnen!“, die andere. Die Sicherheitsmänner kommen ins Schwitzen, viele Gäste wollen dem Minister die Hand drücken, ein Wort mit ihm wechseln. Der 39-Jährige lässt es sich gefallen. Auch eine ältere Dame, deren Sohn demnächst bei der Bundeswehr ausscheidet und die von Guttenberg einen Zukunftsplan hören will, findet Gehör. Das Prinzip Guttenberg ist einfach: Er spricht aus, was andere Politiker verschweigen oder mit netten Worten schönreden. Neu ist das nicht, Hans Spitzner sagte von sich selbst auch gerne, er sei Mitglied im Verein für deutliche Aussprache. Kostproben davon gibt Guttenberg auch in

Neumarkt. Das, was in Afghanistan passiere, sei eben nun mal Krieg,

sagt er, und es sei den Soldaten gegenüber unredlich, das anders zu bezeichnen.

Und ob die Rente „süscha“ sei, wie es Norbert Blüm immer gesagt hat, fragt Guttenberg und imitiert Blüm. Da malt er ein großes Fragezeichen dahinter. Das gilt auch für das Thema Zuwanderung. Einer Zuwanderung in die sozialen Sicherheitsnetze in Deutschland bedürfe es nicht, sagt er; aber ob Menschen, die sich integrieren und etwas leisten wollten, deshalb draußen gehalten werden sollten – das findet er auch nicht richtig.

Einfache, platte Parolen, sagt er, seien oft gewünscht, aber in seinen Augen falsch. Differenziertes Betrachten: Das gelte bei ihm bei vielem, sagt Guttenberg. Angefangen von der Wehrpflicht bis hin zum Rückzug aus Afghanistan. Getreu seinem Motto: „Ein Stil, der erkannte Wahrheiten anderen nicht zumutet, wird selbst zur Zumutung.“ Oder der Umbau der Bundeswehr: „Der Ruuuusss steht nicht mehr an der Grenze zur Oberpfalz, das wissen wir alle sehr gut.“

Nicht als Zumutung, aber als wackelig erweist sich das Rednerpult. Guttenberg, der mit einem lockeren Satz auf die Bühne gehüpft ist, statt die Treppe zu nehmen, bricht mitten in der Rede ab. „So was Wackeliges“, sagt er und lächelt. „Ich bin gerade dabei, das Rednerpult zu entdecken.“

Aus einem Fach zieht er schließlich ein Glas. „Ein Glas“, sagt er und hält es lange ins Licht, „ein Glas Wasser – und das in einer Stadt mit drei Brauereien...“ Es dauert keine Minute und er bekommt ein Pils in die Hand gedrückt. Der Gag ist nicht neu, aber keiner hat ihn bisher so schön gegeben. Mit dem Pils prostet er am Ende auch seinen Zuhörern zu, der Saal applaudiert lange und laut.