Haderlein: "Kegeln ist kein Altherrensport"

10.9.2014, 11:10 Uhr
Haderlein:

© Foto: privat

Frau Haderlein, Hand aufs Herz: Ist Kegeln ein Sport für alte Männer?

Alexandra Haderlein: Sagen wir es mal so: Ich halte mich eher zurück, wenn es um meine Sportart geht. Oft muss ich mich dafür rechtfertigen.

Wie kamen Sie dann dazu?

Haderlein: Ich habe schon mit zehn angefangen. Meine Mutter und meine Großeltern haben den Sport auch ausgeübt. Zuvor hatte ich alles durchprobiert: von Kinderturnen bis Rhönradfahren – nichts hat mich langfristig gefesselt. Und der Sportverein mit den Kegelbahnen in Worzeldorf war nun mal direkt ums Eck. . .

Irgendwann wird man aber doch auch älter und interessiert sich vielleicht für mehr als nur den Kegelverein um die Ecke.

Haderlein: Ich habe anfangs meine Freundinnen dorthin mitgeschleppt. Das war jede Woche wie Kindergeburtstag, nur mit Techniktraining. Irgendwann kam auch der Erfolg dazu und ich habe mit dem KV Nürnberg in der Bayernliga gespielt. Und so bin ich dabei geblieben – obwohl ich natürlich auch festgestellt habe, dass viele Kegeln nicht so extrem cool finden.

Weil es ein Altherrensport ist?

Haderlein: Naja, es gibt genug Freizeitkegler, die dieses Klischee vom Altherrensport prägen. Auch allgemein kommt Kegeln viel altertümlicher daher als zum Beispiel Bowling, das hat schon eher diesen massentauglichen Flair. Kegeln hingegen verbindet man immer gleich mit Bier und verrauchten, kleinen Kellerkneipen.

Und das stimmt gar nicht?

Haderlein: Sicherlich gibt es die eine oder andere Bahn, die dem nahe kommt. Und ich möchte auch nicht leugnen, dass es den einen oder anderen Privatkegler oder manchen Sportkegler in niedrigeren Ligen gibt, für die ein Glas Bier als Belohnung dazugehört. Aber in den meisten Sportkegel-Ligen ist dies defintiv anders.

Nervt es, wenn man das immer wieder erklären muss?

Haderlein: Ja, weil viele nicht glauben, dass Kegeln wirklich anstrengend ist. Inzwischen nehme ich das einfach hin. Und wer es nicht glaubt, darf es gerne probieren. Da werde ich ihm beweisen, dass er am nächsten Tag Muskelkater in Zonen hat, von denen er nicht wusste, dass es sie gibt. Aber ich will nicht jeden bekehren.

Manchmal aber doch, wenn es zum Beispiel darum geht, Sponsoren zu gewinnen.

Haderlein: Das stimmt. Ich spiele jetzt in Regensburg. In der Stadt gibt es zum Beispiel noch einen Fußball- Drittligisten, Eishockey und eben auch Bundesliga-Kegeln. Da tun wir uns unglaublich schwer, überhaupt Sponsoren zu finden.

Das Problem haben eigentlich alle Randsportarten.

Haderlein: Ja, aber bei uns ist es noch schlimmer, weil für viele Kegeln nun mal nicht als Sport zählt.

Dann haben Sie jetzt die Chance zu klären: Warum ist Kegeln Sport?

Haderlein: Es ist nicht damit getan, auf der Bahn zu stehen, die Kugel nach vorne zu schussern und alle Keile zum Fallen zu bringen. Es dauert eine Zeit, bis man steuern kann, wo die Kugel hin soll. Auch der korrekte Anlauf ist schwierig, weil er entgegengesetzt zur normalen Bewegung verläuft.

Und das ist körperlich anstrengend?

Haderlein: Schon! Auf Bundesliganiveau gehört die Fitness genauso dazu, wie die Technik. Kegeln beansprucht unglaublich viele Muskeln, gerade in den Oberschenkeln. Man hat vier Schritte, muss Schwung nehmen — abrupt abbremsen. Über die Kraft der Armbewegung gebe ich der Kugel Geschwindigkeit mit.

Das Kegeltraining beschränkt sich also nicht nur auf die Bahnen?

Haderlein: Nein, ich mache außerdem Pilates und gehe zum Spinning. Die Bewegungen auf der Bahn sind extrem einseitig. Deswegen muss ich gegensteuern. Beim Pilates stabilisiert man den Rumpf, das ist optimal.

Warum wollten Sie unbedingt in die Bundesliga? Warum zu einem Oberpfälzer Verein?

Haderlein: In Regensburg kann ich mit einem super Trainer konstant an mir arbeiten. Es war auch mein Ziel, dorthin zu gehen, weil die Mannschaft cool ist. Schon als Außenstehender hat man gemerkt, dass es in diesem Team passt.

Bundesliga klingt nach vollen Tribünen. Beim Kegeln gibt es oft nicht einmal eine Tribüne.

Haderlein: An einem Spieltag feuert die eigene Mannschaft ab sechs umgeworfenen Keilen an. Sie schreien „Sexi“, „Simsa“, „Hossa“ oder „Holz“, wenn sechs, sieben, acht oder alle neun Keile fallen. Hinzu kommen noch vereinseigene Sprüche. Von daher ist da schon gute Stimmung. Obwohl nicht viele Zuschauer da sind.

Mannschaft hin oder her – auf der Bahn ist man dennoch auf sich allein gestellt, oder?

Haderlein: Ja, es ist nicht wie bei klassischen Mannschaftssportarten wie Handball oder Fußball. Dennoch: Der Mannschaftssieg steht über dem individuellen Ergebnis und wird gefeiert! Zugleich kann man bei Einzelmeisterschaften auch allein etwas erreichen.

Reden wir über den Aufwand, den Sie betreiben. Sie arbeiten in Neumarkt, wohnen in Nürnberg — und spielen in Regensburg.

Haderlein: Ja, 460 Kilometer fahre ich in der Woche fürs Kegeln; mittwochs ist Training in Regensburg, in Nürnberg übe ich ein- oder zweimal pro Woche.

Wie schaffen Sie das?

Haderlein: Ich habe momentan zwei große Säulen in meinem Leben: den Beruf — ich bin Redakteurin bei den Neumarkter Nachrichten — und den Sport. Die Arbeit hat absoluten Vorrang. Wenn sie erledigt ist, fahre ich ins Training. Von meiner Mannschaft hat keiner ein Problem damit, wenn ich erst abends um neun Uhr anrücke: Während ich beginne, gehen die anderen zum gemütlichen Teil über. Bis ich dann heimfahre, ist es meistens nach Mitternacht.

Und was macht man dann genau im Kegeltraining?

Haderlein: Kegeln ist Präzisionsport: Es braucht viel Technik. Nur so kann man 120-mal möglichst das Gleiche machen. Mit meinem Trainer analysiere ich ähnlich wie beim Schwimmen: Wie halte ich meine Hand? Wohin setze ich meine Schritte?

Beim Kegeln geht also vor allem um Präzision, das bedeutet auch: Konzentration. Beim Hobby soll man aber doch vor allem auch abschalten können. Klappt das überhaupt?

Haderlein: In den allerallermeisten Fällen, ja. Auf dem Weg zum Training kann ich Stress und Probleme abschütteln. Klappt das aber nicht, wird das Techniktraining natürlich schwer. Im allerschlimmsten Fall wird das Kegeln eine Art Wutbolzen – aber dann muss es mir wirklich schlecht gehen; und der Trainer darf besser nicht hinsehen (lacht).

Wann entspannen Sie dann?

Haderlein:Der Rest vom Akku wird nach der Arbeit eben fürs Kegeln aufgebraucht. Ich entspanne mich, während der Fahrt nach Regensburg.

Muss man als Kegler Perfektionist sein?

Haderlein:Hm. Ich probiere etwas so lange, bis es klappt. Ungeduldig werde ich, wenn ich es in der Theorie verstanden, in der Praxis aber nicht umsetzen kann. Also irgendwie: ja.

Apropos perfekt, welche Eigenschaften hat die perfekte Kugel?

Haderlein:An sich sind alle gleich, rund mit einem bestimmten Durchmesser und ohne Löcher. Man poliert sie nur unterschiedlich – eher rutschig oder griffig. Da ist es von Vorteil, wenn man eigene Kugeln besitzt beziehungsweise die heimischen Bahnverhältnisse kennt – jede Bahn läuft unterschiedlich – mal ohne, mal mit mehr oder weniger Links- / Rechtsdrall; und auch jeder der verschieden Keiltypen fällt anders. Das beeinflusst das Spiel.

Denken Sie auch über die Nationalmannschaft nach?

Haderlein:An sich schon. Aber ich werde nicht jünger. Damit man den Bundestrainern auffällt, braucht man eine oder gar mehrere Sternstunden- Saisons ohne Ausreißer – mal sehen, was die neue Saison bringen wird. Aber, klar, eine Einladung der Nationalmannschaft würde ich definitiv nicht ablehnen.

Da drücken wir Ihnen fest die Daumen. Beim Kegeln sagt man ja: Gut Holz!

Haderlein:Ja, das ist wie Petri Heil beim Angeln. (lacht).

Verwandte Themen


Keine Kommentare