Harter Kampf um jeden Quadratmeter für Windkraft

19.7.2014, 11:00 Uhr
Harter Kampf um jeden Quadratmeter für Windkraft

© Wolfgang Fellner

Das Thema Windkraft ist emotional aufgeladen, und wer über die Jurahochfläche fährt, sieht, warum. Windrad reiht sich hier an Windrad. Nicht in jeder Gemeinde. Die einen haben die Herausforderung angenommen und schon gesteuert, hier drehen sich schon Rotoren; die anderen sind noch am planen. Das ist auch in Seubersdorf so, das mit Parsberg und Breitenbrunn Konzentrationsflächen für die drei Kommunen ausweisen will. Vor drei Jahren haben sie sich zusammengetan, haben das Neutraublinger Planungsbüro Bartsch beauftragt, haben Pläne gewälzt, Kriterien erstellt. Ein ganz wichtiges: Die Windräder sollen mindestens 1000 Meter von jeglicher Wohnbebauung entfernt stehen.

Unter dieser Prämisse durchforstete Bernhard Bartsch die Flur und kam letztlich zu einem Plan, der ein großes Konzentrationsgebiet im Laubholz, einem Waldgebiet fast komplett in der Seubersdorfer Flur, vorsieht, und mehrere, über alle drei Gemeinden verstreute kleinere Flächen. Die Auslegung dieser Flächen erfolgte vor geraumer Zeit, es folgten die nötigen Abwägungsprozesse, die juristische Überarbeitung und dann ging die 135 Seiten starke, alle Punkte abhandelnde Studie, in die auch noch die Weiterbehandlungsvorschläge der Planer eingearbeitet worden waren, Anfang Juni an alle Gemeinderäte.

Massive Kritik

Seither zirkuliert das Papier in der Gemeinde. Zuletzt bei einer Versammlung am Montag, zu der sich Gemeinderäte mit Vertretern der BI Gegenwind trafen, gab es massive Kritik am Teilflächennutzungsplan, so die amtsdeutsche Bezeichnung des Geheftes. Als unqualifiziert und ohne Inhalt hatte ein Bürger, der sich durch das Dokument gearbeitet hat, dieses bezeichnet.

Was Bartsch nun auf den Plan rief: Was er da in der Zeitung habe lesen müssen, sei unter der Gürtellinie, sagte er, aber im Sinne christlicher Nächstenliebe werde er vergeben, „denn ich weiß, Herr Fürnrohr wird sich bei mir entschuldigen“. Zudem frage er sich, wie das Papier in die Hände Dritter gelangen konnte, denn der Gemeinderat habe keine Freigabe beschlossen.

Die Stimmung im Sitzungssaal des Seubersdorfer Rathauses war aufgeheizt, was auch daran lag, dass sich so viele Bürger darin drängelten, sie bis auf den Flur standen; ein Gemeinderat, der später gekommen war, fand zuerst gar keinen Sitzplatz.

Noch bevor Tagesordnungspunkt zwei aufgerufen war, ging es schon in die Vollen: Florian Schels beantragte, diesen Tagesordnungspunkt nur zu beraten und nicht zu beschließen. Es gebe schließlich keine Fristen. Was so nicht stimmt, musste er sich sagen lassen. Denn die Abwägungen müssten beschlossen werden. Sonst kämen Parsberg und Breitenbrunn, in deren Räten die Pläne in der kommenden Woche besprochen werden, aus dem Tritt. Wenn die Auslegung nicht rechtzeitig erfolge und der Teilflächennutzungsplan nicht bis Ende 2015 Gültigkeit erlange, liefen in Parsberg Rückstellungen aus und es müsste dort der Windrad-Bau genehmigt werden.

Mit viel Geduld und unter Ignorieren zahlreicher, oft derber Anwürfe versuchte Bartsch, den Räten die Dringlichkeit nahe zu bringen. Denn auch für Seubersdorf gibt es schon rückgestellte Anlagen, für die die Frist, wenn auch später, auslaufen wird. Das unterstrich auch Manfred Wiesenberg vom Landratsamt: „Wenn ihr plant, habt ihr die Sicherheit, dass die Anlagen nur dort gebaut werden, wo ihr sie haben wollt.“ Wenn die Gemeinde die Planung aber einstelle, öffne sie den Investoren Tür und Tor.

„Wir haben schon lange geplant, wir möchten noch lange weiter planen“, sagte Rat Manfred Bogner. Schließlich habe man damit bisher Erfolg gehabt.

Mit Blick auf das Parsberger Dilemma sagte er: „Wir wollen die Parsberger nicht im Regen stehen lassen, aber vielleicht ist des nicht so wichtig.“ Zudem gebe es doch ab Herbst die 10 H-Regelung. Auf die man sich nicht verlassen sollte, warnte Bartsch (siehe eigenen Artikel).

Eine weitere Unwägbarkeit ist aufgetreten, die niemand auf dem Schirm hatte: Bei Hamberg gibt es eine seismologische Messstation. Betrieben wird sie von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Diese war auch zu einer Stellungnahme aufgefordert worden und das Ergebnis hat es in sich: In einem Radius von fünf Kilometern rund um die Messstation darf keine Windkraftanlage errichtet werden. Was Bartsch als Schlag gegen den Teilflächennutzungsplan bezeichnet, manche Räte aber grinsen ließ: „Bei fünf Kilometern ist das Laubholz zum großen Teil aus der Bebauung heraus“, hatte Bartsch doch gesagt, daneben auch der Parsberger Kreisel. Das fanden sie gut.

Bartsch warnte: Derzeit sind 442 Hektar für WKA ausgewiesen, das sind 2,25 Prozent der Fläche; ohne das Laubholz reduziert sich die Fläche auf 134 Hektar und liegt bei 0,68 Prozent der Fläche. „Das ist keine Planung mehr, sondern eine Verhinderung“, sagte er. Vor Gericht werde der Plan keinen Bestand haben und gelte damit als nichtig. Das wollten einige nicht einsehen; eine hartnäckige Diskussion war die Folge.

Bartsch schlug vor, um die Messstation einen Radius von drei Kilometern frei zu halten und im Bereich zwischen drei und fünf Kilometer eine Einzelfallplanung für jede Anlage zu verlangen. Dann könne das Amt entscheiden; das habe auch erkennen lassen, dass kleinere Anlagen näher an der Messstation gebaut werden können als 200-Meter-Türme (siehe eigenen Bericht).

Ein zähes Feilschen und Ringen gab es um Rotmilan und Sichtachsen, den Petersberg und andere Teile der ausgewiesenen Flächen. So beschloss der Rat, für ein Gebiet noch eine Vogeluntersuchung durchführen zu lassen. „Das geht erst im nächsten Jahr — da platzt der ganze Zeitplan und die Rückstellungsfristen fallen“, sagte Bartsch trocken. Kommando zurück also; nun wird die ergänzende Untersuchung parallel zur Auslegung durchgeführt und zu einem späteren Zeitpunkt in die Planung einfließen.

Es wurden kleine Flächen weggezwickt; „diese Kriterien für ihre Entscheidung müssen sie aber auch an die anderen Flächen anlegen“, mahnte Bartsch. „Wir drehen uns hier doch nur im Kreis“, rief kurz vor Mitternacht Richard Dexl: „Wir müssten gar nichts machen, wenn keiner Grund für Windkraftanlagen zur Verfügung stellt.“ Da applaudierten die Zuhörer. „Aber eines sage ich euch: Um eins gehe ich heim“, schob er nach.

Markante Landmarke

Eine Überraschung ergab sich aus der Stellungnahme der Bundeswehr: Der Göschberg, auf dem der Sendemast steht, ist kein militärisches Sperrgebiet mehr, hier dürften WKA aufgestellt werden. Bartsch riet ab; der Götschberg sei eine markante Landmarke und sollte als prägender Höhenrücken freigehalten werden.

Fotorealistische Aufnahmen wollten die Räte sehen: „Damit wir uns das vorstellen können.“ Bartsch empfahl den bayerischen Windatlas im Internet, da könne man das für jeden Standort simulieren. „Nein, wir wollen Fotos“, hieß es. Da kostet eines um die 350 Euro. Damit die Auslegung weiter gehen kann, wurde später noch eine gewundene Abwägung formuliert, um alles wasserdicht zu halten.

Weit nach Mitternacht war es dann endlich so weit: Die Fläche war auf 440 Hektar reduziert, also 2,2 Prozent der Fläche. Das alles wird nochmal überarbeitet, um im Herbst wieder ausgelegt zu werden. Was aus der Sperrzone wird, bleibt offen.

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