Heute vor 72 Jahren: Der Luftangriff aus heiterem Himmel

23.2.2017, 06:00 Uhr
Heute vor 72 Jahren: Der Luftangriff aus heiterem Himmel

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Der 23. Februar 1945, ein Freitag, war ein sonniger Vorfrühlingstag. Doch konnten die Neumarkter die warmen 20 Grad nicht genießen, zu düster die Meldungen von allen Fronten, die das baldige Ende des Dritten Reiches ankündigten: Im Osten waren die Russen durchgebrochen und nach Ostpreußen und Schlesien vorgedrungen, im Südosten standen die sowjetischen Armeen in Ungarn am Plattensee, im Westen stießen die Alliierten durch den Westwall zum Rhein vor.

Das wussten auch die Neumarkter Hausfrauen und die wenigen älteren Männer, die an diesem Vormittag unterwegs waren. Doch an einen Bomberangriff auf Neumarkt glaubte eigentlich niemand.

Gaswerk explodierte

Zwar hatte es seit 1942 immer wieder Fliegeralarm gegeben, aber meistens war Nürnberg das Ziel amerikanischer und englischer Luftangriffe gewesen. Niemand ahnte, dass die alliierten Luftstreitkräfte bereits am 22. Februar die Operation "Clarion" gestartet hatte – mit sage und schreibe 10 000 Flugzeugen.

Als am 23. Februar die ersten Bomberpulks am blauen Himmel über Neumarkt dröhnten und die Sirenen heulten, drängten sich viele Neumarkter neugierig an den Fenstern.

Heute vor 72 Jahren: Der Luftangriff aus heiterem Himmel

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Wider Erwarten öffneten die Flugzeuge diesmal ihre Bombenschächte und warfen ihre tödliche Fracht ab. Kurz drauf bebte die Erde rund um den Bahnhof. Die Bomben trafen Bahngebäude, Gleisanlagen, vor allem den Güterbahnhof, Waggons und Lokomotiven. Die Expresswerke und zwei Holzfirmen wurden zerstört, die zwei Kessel des Gaswerks explodierten. Trümmer flogen herum, Splitter regneten über die Stadt.

Tragödie im Splittergraben

Um 11.32 Uhr war der ganze Spuk schon wieder vorbei. Rauch- und Staubwolken hüllten das Bahnhofsviertel ein. Auf Luftbildern der US- Armee sieht man, dass viele Bomben ihr Ziel verfehlten – sie landeten hinter dem Bahnhof.

Als die Bomber abdrehten, erzählen die Zeitzeugen, wollten Hilfstrupps vor allem die vielen verschütteten Menschen retten, die im Splittergraben, in den kleinen Bunkern, in den Kellern der Häuser rund um den Neumarkter Bahnhof eingeschlossen waren. Viele buddelten nur mit den Händen, und bis zur Erschöpfung.

Der große Kessel des Gaswerks hatte bei seiner Explosion einen ungarischen Flüchtlingszug in Brand gesetzt. Die meisten seiner Insassen suchten in einem nahen Splittergraben Schutz: Er wurde ihr Grab; nur acht von rund 100 Personen konnten noch lebend geborgen werden.

Eine Bombe schlug in das sogenannte Italiener-Lager am späteren Stellwerk I ein. Auch unter den italienischen Bahnarbeitern gibt es zahlreiche Opfer. Nach Angaben der Amerikaner warfen 74 Maschinen an jenem 23. Februar 1945 insgesamt 843 Fünfhundert-Pfund-GP-Bomben über Neumarkt ab. Wie viele Blindgänger auch noch heute am südlichen Rand der Altstadt in der Erde schlummern, weiß keiner genau. Alle Bombenfunde in den vergangenen Jahrzehnten liefen glücklicherweise glimpflich ab, die Sprengkörper wurden erfolgreich entschärft.

Mit Bordwaffen beschossen

Doch für Neumarkt war das Unheil nach dieser ersten Angriffswelle noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil, es ist der Anfang: Am 7. April beschossen Jagdbomber die Pfleidererwerke und Fahrzeuge mit Bordwaffen. Und am frühen Nachmittag das 11. April 1945 kehrten die Bomber zurück: zum zweiten großen Luftangriff auf Neumarkt, bei dem diesmal auch die Altstadt schwer getroffen wurde.

 

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