Landrat freute sich über stummen Applaus

31.10.2016, 10:30 Uhr
Landrat freute sich über stummen Applaus

© Foto: Franz Xaver Meyer

Landrat freute sich über stummen Applaus

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„Wir wollen, dass Sie den Gehörlosen weiterhin Gehör verschaffen“, ermunterte Landrat Willibald Gailler bei seinem Grußwort die Vereinsmitglieder mit einem Wortspiel. Der Landkreischef war über den stummen Applaus – bei den Gehörlosen sind das heftige Drehungen mit erhobenem Arm – so angetan, dass er eine Wiederholung forderte – für das Posten auf Facebook.

Mit Stadtführungen zu Neumarkts Sehenswürdigkeiten begannen die Feierlichkeiten. Mancher Neumarkter wunderte sich, dass da eine Führung ganz ohne Ton ablief, bis sie die Gebärden erkannten und wussten, dass Gehörlose unterwegs sind. Ein ökumenischer Gottesdienst im Münster St. Johannes mit Pfarrer Christian Burkhardt und Kirchenrätin Cornelia Wolf, die beide für die Gehörlosenseelsorge zuständig sind, schloss sich an.

Angst vor Verfolgung

Bei der Jubiläumsfeier freute sich die Vorsitzende Angela Benschuh, die die sechs Jahrzehnte Revue passieren ließ, über einen vollen großen Saal im Johanneszentrum. Nicht nur viele der 65 Mitglieder des Neumarkter Gehörlosenvereins kamen, sondern auch zahlreiche Gehörlose aus anderen Teilen Nordbayerns.

Der Gehörlosenverein Neumarkt wurde im Jahr 1956 ins Leben gerufen (wir berichteten), nachdem die erste Gründung im Jahr 1926 nicht von Dauer gewesen ist. Die Behinderten mussten nämlich im Dritten Reich Angst vor Verfolgung haben und so löste sich der Verein auf. Die Dolmetscherinnen Susanne Kaßler und Marion Rexin übertrugen die Reden der Ehrengäste. Oberbürgermeister Thomas Thumann lobte als Schirmherr der Veranstaltung das Engagement und die vielen Aktivitäten des Vereins. „Wir benötigen für die Gehörlosen noch die entsprechende Infrastruktur, damit jeder mitten im Leben sein kann in allen Bereichen“, meinte Landrat Gailler. Albin Kupfer, Gehörlosenbeauftragter des Lions-Clubs, blickte auf die zahlreichen Veranstaltungen des Vereins zurück. Die Lions pflegen seit über 30 Jahren eine Patenschaft mit den Gehörlosen und unterstützen sie in vielfältiger Weise

Bernd Schneider, der Landesvorsitzende der Gehörlosen, appellierte an die Kommunalpolitiker, sich dafür einzusetzen, dass jeder Gehörlose monatlich 15 Stunden einen Gebärdendolmetscher in Anspruch nehmen kann. Dies erleichtere das tägliche Leben. Wenzel Spreitzer, der Vorsitzende für Hörgeschädigte in der Oberpfalz, forderte mehr Untertitel bei Fernsehsendungen. Sozialpädagoge Adolf Gerl lobte den Verein, weil die Mitglieder von der Altersstruktur gut durchmischt seien. Die Vertreter der Kirchen würdigten den lebendigen Gottesdienst, bei dem alle mit Gestik und Mimik mitmachten.

Hymne fingerfertig gesungen

Ungewöhnlich für die Außenstehenden war die Bayernhymne, die der Gebärdenchor fingerfertig inszenierte. In einem Theaterstück ließen die Gehörlosen in historischer Aufmachung wichtige Etappen in der Geschichte Neumarkts Revue passieren. König Christoph, der vor 600 Jahren in Neumarkt das Licht der Welt erblickte, tauchte mit Gefolge auf, und auch an den Ludwig-Donau-Main-Kanal, die Bahnlinie Nürnberg-Regensburg, das in Neumarkt gebaute Hochrad, die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und die Landesgartenschau 1998 wurde erinnert. Zauberkunststücke und eine Samba-Gruppe rundeten das Programm ab.

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