Martini-Jahr 2016: Vom Sohn Freystadts zum berühmten Bürger Europas

16.5.2016, 12:30 Uhr
Martini-Jahr 2016: Vom Sohn Freystadts zum berühmten Bürger Europas

© F.: Stadtarchiv Freystadt

Heuer Martini-Jahr, 2017 wieder alles vergessen - das soll es nicht gewesen sein, hatte zu Beginn des Jubel-Jahres Bürgermeister Alexander Dorr erklärt. Das Martini-Jahr solle nachhallen, man wolle darauf aufbauen. So soll die Ausstellung „Jean Paul Egide Martini und der Aufbruch in die Moderne“, die von Mai bis Oktober Leben und Wirken des Komponisten vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund präsentiert, in den Folgejahren erhalten bleiben. Offen ist noch, in welcher Form. Sicher aber sei, sagt Dorr: „Sie soll nicht im Archiv verschwinden.“

Großer Rundgang

Martini-Jahr 2016: Vom Sohn Freystadts zum berühmten Bürger Europas

© F.: Fellner

Dazu ist sie auch viel zu schade. Was Irmgard Kellendorfer mit professioneller Unterstützung gestaltet hat, ist musterhaft. Auf den 22 übermannshohen Tafeln, die diesen Freitag im Refektorium des Klosters aufgestellt worden sind, findet sich alles, was sich über Martini noch finden lässt, einschließlich eines großen Rundgangs durch diese aufregende Epoche zwischen Königsdämmerung, französischer Revolution und Restauration.

Immer mittendrin: Der Freystädter Martini, der nach Lehr- und Wanderjahren schließlich als Martini al Tedesco, also Martin der Deutsche, in Paris angekommen war. Über sein Leben und Werk haben die Neumarkter Nachrichten heuer schon ausführlich berichtet, auch der Roman von Hans Regensburger darüber ist schon ausführlich gewürdigt worden. Nun also die Ausstellung.

Diese schlägt einen großen Bogen, neben Martini legt Irmgard Kellendorfer auch großen Wert auf das Geschehen in der damaligen Zeit in Freystadt, Bayern, Paris, Frankreich und Europa. So finden sich die wenigen bekannten Lebensdaten Martinis fest eingebunden in ein Korsett aus Geschichtsdaten, die erklären, warum das Leben des gebürtigen Freystädters, der sich später als Parisienne fühlte, immer wieder anders verläuft. Vieles daraus kennt man aus dem sorgfältig recherchierten Roman Regensburgers, vieles aber auch aus der erst vor zwei Jahren veröffentlichten Stadtchronik Freystadts von Wolfgang Zellner und Walter Steiner. Auch sie wählten diese Herangehensweise.

„Die Chronik war für diesen Teil der Ausstellung meine Grundlage“, sagt Kulturreferentin Irmgard Kellendorfer. Sie hat die prägnanten Ereignisse zusammen gefasst, mit dem Leben Martinis verknüpft. Dazu kommen zahlreiche Illustrationen, Radierungen, Bilder, Fotos, Notenblätter, die die Geschichte sehr anschaulich machen. Wer sich ein wenig an die Landes-Ausstellung „Napoleon und Bayern“ vergangenes Jahr in Ingolstadt erinnert fühlt, liegt nicht falsch, sagt Kellendorfer. Sie hat sich dort hilfreiche Anregungen geholt.

Martini-Jahr 2016: Vom Sohn Freystadts zum berühmten Bürger Europas

© F.: Archiv

Dem Zusammentragen und Erforschen der Lebens- und Geschichtsdaten folgte das Umsetzen, und da haben der Freystädter Kulturreferentin der Designer Michael Meinhardt und Monika Dreykorn zur Seite gestanden, die die Texte bearbeitete und die Titel formulierte.

Gut zweieinhalb Monate dauerte es, sagt Meinhardt, bis die 22 Tafeln reisefertig waren. Am Computer stellte er die Inhalte der Tafeln, also Bilder, Texte und mehr, zusammen. Diese Seiten druckte er auf eine dünne, selbstklebende Folie, die von einer Maschine auf die Sandwiches, wie die großen Stelltafeln heißen, aufgebracht wurden. Die Rückseiten der Stelltafeln sind schwarz, was es möglich macht, sie auch gegeneinander zu stellen - der Blick verliert sich im Ungefähren.

Die Tafeln selbst sind in Pastelltönen gehalten, die sich gut in die zurückhaltenden Farben des Refektoriums einfügt. Die Front wurde zuletzt noch mit einer Schutzschicht versehen, die auch dazu führt, dass sie kein Licht reflektiert, also gut zu lesen ist. Und es gibt vieles, was gelesen werden muss, wohl aufbereitete Inhalte warten.

Heimat schaffen

Und diese Inhalte machen die Ausstellung auch so ungemein sehenswert: Es ist nicht die bloße Huldigung eines in Freystadt geborenen und später europaweit erfolgreichen Künstlers. Sondern sie besinnt sich auf ihre Wurzeln, stellt Zusammenhänge her, erklärt, zeigt, was lokal, national oder europäische Geschichte war und wie diese den Einzelnen beeinflusste. Identität, Heimat schaffen lässt sich so, sagt die Kulturreferentin, was musste alles erkämpft werden von den Völkern, um in einem Europa wie heute leben zu können. Dabei führt der Weg Martinis vom Lokalen ins Nationale und Europäische und wieder zurück. Unbedingt anschauen, unser Tipp.

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