Martini war erstklassig im Stil der Zeit

10.1.2016, 17:33 Uhr
Martini war  erstklassig im Stil der Zeit

© F.: Etzold

((Platzhalter)Entscheidend aber ist die Einschätzung der Dirigenten, die das Werk Martinis dem Publikum und ihren Mitwirkenden nahe bringen und es schließlich auch dirigieren müssen. Wir haben Kurt Karl („Collegium Noricum“), Kurt Weikert (Distler-Ensemble) und Wolfgang Riedelbauch („Musica Franconia“) danach gefragt, was sie von „Schwarzendorf“ alias „Martini“ halten.

Der Leiter von Chor und Orchester „Collegium Noricum“, Kurt Karl, hat sich schon vor 20 Jahren mit Martini beschäftigt: für seine „Freystädter Konzerttage“ ja eine Selbstverständlichkeit. Konzerte, Symphonien, Opernfragmente hat er in „Mariahilf“ aufgeführt. „Wenn man einen solchen Komponisten hat, soll man ihn auch pflegen. Aber ein zweiter Mozart oder Gluck war er nicht, er gehört in die zweite oder dritte Reihe der Komponisten jener Zeit.“

„Hübsche, gute Musik“ sei das, die man immer mal wieder aufführen sollte, wenn ein besonderer Anlass da ist. Der besteht für Karl und seine Sänger/Musiker immer wieder in den „Konzerttagen“: 2016 mit dem Mozart-Requiem und seiner besonderen Bedeutung für Martini und einem Martini-Concerto (31. Juli). Das hat Wolfgang Jacob, Orchestermitglied und Musikverleger, in einer Hamburger Bibliothek gefunden, Teile davon auch in Schwerin, so dass schließlich eine dreisätzige Fassung kompiliert werden konnte: „Zwischen Barock und Klassik um 1760“, datiert Jacob. Aufführungen davon seien bisher nicht belegt: Dabei sei besonders der 2. Satz ganz wunderbar mit den sich ergänzenden Flöten.

Kurt Weikert hat schon anlässlich seiner Aufführung des „Te Deums“ im vergangenen Oktober resümiert: „Martini rentiert sich.“ Auch wenn sein Eindruck, als er und seine Frau 1982 auf Martini stießen, eher zwiespältig war. „Repräsentativ, glanzvoll, militärisch“ sei ihnen 2002 die „Messe solemnelle“ vorgekommen, auffällig aber auch ihre feinen, ziselierten Arien von Mozartscher Qualität. So entsteht auch für ihn der Eindruck von einem Martini zwischen Barock und Klassik mit einer Betonung des französischen Elements, besonders in den Arien oder Terzetten des „Te Deums“. Besonders bemerkenswert findet Weikert die einfachen Chansons, in denen sich die französische Musik besonders manifestiert. Sie wurden in der Revolutionszeit von den französischen adeligen Emigranten in London veröffentlicht, weil sie oft Bezug zur königlichen Familie Ludwigs XVI. hatten: So wurde der frühe Martini auch in dieser Zeit des „Terreur“ wachgehalten. Manches sei in Martinis Werk nicht nur „kleinmeisterlich“, sondern erstklassig im Stil der Zeit.

Quellenlage unterschiedlich

Aber nur schwer zu beurteilen, weil, wie Weikert selbst festgestellt hat, die Quellenlage sehr unterschiedlich ist: von der Militärmusik sei praktisch nichts erhalten, höchstens in einigen Opern. Von denen hat die Kammeroper Neuburg/Donau in alter Erinnerung an den Jesuitenzögling Johann Paul die Figaro-Geschichte „Le droit du seigneur“ schon aufgeführt. Was sich Weikert wünschen würde: einen Martini-Verein, der die Aktivitäten bündeln und finanzieren könnte.

Martini war  erstklassig im Stil der Zeit

© Foto: Draminski

Wolfgang Riedelbauch gibt zu, dass es schwierig ist, ein Urteil über Martini aus dem „Ärmel zu schütteln“. Besonders wenn man sich auch mit den politisch-sozialen Hintergründen einer Zeit beschäftigt und dann noch eine tunlichst historisch informierte Aufführung zustande bringen will. Aber er würde im Martini-Jahr nicht Martini aufführen, wenn er keine „musikalische Entdeckung“ erwarten würde. Dass Martini lange Zeit überhaupt nicht beachtet wurde, liegt seiner Meinung nach daran, dass er im beginnenden Zeitalter des Nationalismus’ zwischen zwei Stühlen saß: zwischen Deutschland und Frankreich und ihrer zunehmenden Feindschaft. So etwas machte sein Werk etwa auch dem bayerischen König Ludwig I. suspekt. Für die deutsch-national eingestellten Romantiker war er kein Thema, und danach war die Zeit über ihn hinweggegangen – trotz aller musikalischer Neuerungen, die auf ihn zurückgingen: in der Militärmusik, im Chanson und seiner Begleitung. So fand man die Oper „Annette et Lubin“ in Deutschland leichtfertig, in Frankreich dagegen fußt sie auf der Tradition des Vaudeville, die Offenbach auch wieder aufgegriffen hat. Peter Beat Wyrsch wird eine szenische Fassung davon erarbeiten (open air im Freystädter Spitalhof). Seine Eindrücke von der Begegnung mit Martini beschreibt Riedelbauch so: „Da war bei mir durchaus Begeisterung im Spiel, besonders für das handwerkliche Können Martinis auf der Basis seiner Ausbildung in Deutschland: danach hat er in Frankreich Pionierarbeit geleistet und war sich bewusst, dass er dort die deutsche Überlieferung zu vertreten hat. In seiner dreibändigen Orgelschule hat er nur deutsche Künstler genannt.“ Das neueste Ergebnis von Riedelbauchs Forschungen: Martinis Psalmenvertonungen, eine Mischung von Kirchenmusik und Oper genau am Text entlang. Die will Riedelbauch nächstens auch aufführen mit dem Nürnberger Ballettförderzentrum – noch in Planung.

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