Mauerfall: Vor 25 Jahren kamen Ost-Bürger nach Breitenbrunn

10.11.2014, 12:29 Uhr
Mauerfall: Vor 25 Jahren kamen Ost-Bürger nach Breitenbrunn

Das beschauliche Breitenbrunn wurde mehr und mehr zu einem Anlaufpunkt für ehemalige DDR-Bürger und für deutschstämmige Aus- und Übersiedler aus Polen. In ganz Deutschland fielen sich fast auf den Tag genau vor 25 Jahren die Menschen um den Hals und feierten den Fall der Mauer.

In Breitenbrunn war Josef Köstler (CSU) im fünften Jahr Bürgermeister und er erinnert sich noch gut: „Ab August fanden rund 60 ehemalige DDR-Bürger den Weg nach Breitenbrunn. Entweder mit einer offiziellen Ausreisegenehmigung der DDR-Behörden in der Tasche, nach einem Umweg über die Prager Botschaft und über Ungarn oder eben unmittelbar nach dem Mauerfall.“

Dazu kamen noch 54 deutschstämmige polnische Staatsbürger in den Fremdenverkehrsort. Untergebracht wurden die Menschen im ehemaligen Breitenbrunner Hof in der Von-Tilly-
Straße und im Gasthof Plank in der Erbmühle.

„Ich habe mich gefreut für die vielen Menschen, die bei uns eine erste Heimat im Westen gefunden hatten, habe ihnen verdeutlicht, dass ihnen hier alle Möglichkeiten offen stehen, ihnen aber auch gesagt, dass in Westdeutschland auch nicht alles Gold ist, was glänzt“, erzählt Köstler.

Er weiß auch zu berichten, dass den Aussiedlern aus Polen Deutschunterricht angeboten wurde. „Brei-
tenbrunn war Anfang November der einzige Ort im Landkreis, in dem Sprachkurse für Aussiedler angeboten wurden.“

Begrüßungsgeld ausgezahlt

Der heutige Bürgermeister Johann Lanzhammer (FW) war damals Kämmerer und verantwortlich für die Auszahlung des Begrüßungsgeldes an die ehemaligen DDR-Bürger und deutschstämmigen Aussiedler aus der ehemaligen Volksrepublik Polen. Er sagt heute: „Der Fall der Mauer sowie des Eisernen Vorhangs in Tschechien und Ungarn waren überwältigende Ereignisse, mit denen wir Breitenbrunner unmittelbar konfrontiert wurden.“

Unter den DDR-Bürgern, die im Breitenbrunner Hof untergebracht waren, befanden sich auch der heute 62-jährige Werner Seifert mit seiner Ehefrau Gudrun und den Söhnen Kai und Hendrik.

Fünf Jahre lang hatte die junge Familie aus Zittau in der Oberlausitz auf die Ausreisegenehmigung gewartet und dabei viele Schikanen in Kauf genommen, bis es endlich soweit war: Mit dem Zug ging es in ein Aufnahmelager nach Gießen.

Werner Seifert erinnert sich in einem Gespräch mit unserer Zeitung: „Ich wollte schon immer nach Bayern und da tauchte in Gießen der Name Breitenbrunn auf.“ Nach einem Blick auf die Landkarte setzten sich die Seiferts in einen Zug, der sie nach Parsberg brachte.

Von dort ging es per Bus weiter nach Breitenbrunn und Werner Seifert erzählt mit einem Lächeln auf den Lippen: „Als wir am Ortseingang die Sebastianskirche sahen, da haben wir uns gesagt, hier bringt uns niemand mehr im Leben weg.“

Und so ist es bis zum heutigen Tag geblieben. Seifert wohnt mit seiner Frau in einem gemütlichen Häuschen oben auf dem Brand. Seine Söhne leben in Radeberg beziehungsweise in Berlin. Zwei seiner vier Enkelkinder sind auch in Breitenbrunn geblieben.

„Der Weg nach Breitenbrunn war für uns sehr gut gepflastert.“ Mit diesen Worten umschreibt Seifert das, was Bürgermeister Lanzhammer und sein Vorvorgänger Köstler als eine besondere Willkommenskultur bezeichnen: Die großartige Hilfsbereitschaft der Breitenbrunner Bürger.

Dramatische Umstände

Sehr gut daran erinnert sich auch Erika Martens: „Die Menschen, die damals zu uns kamen, vor allem die, die sich noch unter dramatischen Umständen den Weg durch den Stacheldraht über die ungarische Grenze bahnten, hatten ja oftmals nichts dabei außer der Kleidung an ihrem Körper.“

Kleiderbasare wurden organisiert, Kaffee- und Kuchenaktionen gestartet, Möbel für Wohnungs-Erstausstattungen gespendet, Kinder betreut während der Zeit, als ihre Eltern Behördengänge zu erledigen hatten: „Wir Breitenbrunner halfen viel und gerne“, so Martens.

Aktuelle Botschaft

Einer der Höhepunkte zum Jahresende 1989 war dann eine Weihnachtsfeier in der Schulturnhalle. Pfarrer Helmut Hummel las Weihnachtgeschichten vor, Weihnachtslieder wurden gesungen, die Frauen aus Breitenbrunn hatten Plätzchen gebacken.

Und Bürgermeister Köstler sagte zu den Neuankömmlingen: „Für Sie alle hat heuer die Weihnachtsbotschaft einen tieferen Sinn. Viele von ihnen haben lange gewartet, ehe sie ein Land verlassen konnten, das ihnen keine Heimat mehr war. Sie sind zu uns gekommen, um hier eine Heimat zu suchen und zu finden. Dass ihnen unser Land, unsere Heimat nicht zur Fremde wird, ist mein Weihnachtsgruß an sie.“

Nun, viele der damaligen Ankömmlinge haben Breitenbrunn wieder verlassen, für einige von ihnen ist Breitenbrunn zur Heimat geworden – wie für Werner Seifert und seine Ehefrau Gudrun.

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