Neue Trägerin des Lothar-Fischer-Preises gekürt

26.6.2017, 10:25 Uhr
Neue Trägerin des Lothar-Fischer-Preises gekürt

© Fotos: Günter Distler

Museumsleiterin Pia Dornacher macht die Honneurs und begrüßt die beiden Künstlerinnen, die im Mittelpunkt stehen: Monika Grzymala mit Mann und Eltern und ihrer Ausstellung "Formationen, Raumzeichnungen", Leunora Salíhu als Preisträgerin 2017.

Neue Trägerin des Lothar-Fischer-Preises gekürt

© Günter Distler

Unterwegs sind die beiden Damen ohnehin viel: Salíhu samt Urkunde und Preisscheck über 5000 Euro in der großen roten Mappe auf dem Weg ins heimatliche Pristina, wo sie vom nächsten Wochenende eine große Ausstellung hat, Monika Grzymala wie immer zwischen New York, London, Sydney, der Albertina in Wien oder der Kunsthalle Hamburg. Dazu passt das schönste Zitat dieses Vernissagen-Vormittags: "Ich trage mein Atelier in mir, in meinem Kopf."

Was Grzymala damit meint, weiß man seit der Presse-Preview: Sie "bespielt" mit ihrer Plastiken die Räume eines Museums, eines Käufers – dort realisiert sie ihre Ideen. An ihrer großen Arbeit "Tangente", die den ganzen Wechselraum des MLF ausfüllt, sieht man das am besten, obendrein bekommt man es durch Petra Oelschlägel vom Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach anschaulich erklärt: "Monika Grzymala hat sich auf die Räume des Museums eingelassen." 3800 Meter Klebeband "hat sie im Raum verspannt, hat ein Liniengeflecht erstellt, ein Energiefeld: mit ihrer Idee im Hinterkopf hat sie eine Zeichnung im Raum erstellt." Auf die muss man sich visuell, aber auch körperlich einlassen, "muss ihrer auch körperlich anstrengenden Arbeit nachspüren."

Oelschlägel nimmt in ihrer Ausführungen sehr deutlich Bezug auf das, was in der Ausstellung zu sehen ist – getreu nach Lothar Fischer ("Über das Zeichnen" 1991) und den drei Stufen: Die plastischen Werke entstehen aus der Vorstellung, dem zeichnerischen Vorgang und der rhythmischen Kontur. Was schließlich mit "Tangente" so nüchtern benannt ist, entwickelt im MLF derzeit eine erstaunliche Faszination – so trivial auch der materiale Ausgangspunkt ist.

Aber: "Klebeband ist die Linie von der Rolle" (Grzymala). Ihre Linien werden stürmisch in eine Richtung gedrängt, verknoten sich knäuelartig und unentwirrbar, formen ein Rückgrat, das unseren Körper aufrecht hält, drücken sich durch Papiermasse – und wenn diese Linien am Ende einer Ausstellung wieder "abgebaut" werden, dann bringt Monika Grzymala ihre "Raumzeichnung" wieder in einen anderen Aggregatszustand. Auch davon gibt es, so Oelschlägel, in der Ausstellung beredte Beispiele: "Solitär 2017" ist so eine rückgebaute Arbeit oder das faszinierende Wandbild aus transparentem und schwarzem Klebeband "Raumzeichnung (outside/inside)" von 2016/17 – die linke Hälfte Rückbau, die rechte brandneu, aber alles sieht so aus, als hätte es von Anbeginn zusammengehört.

Achtzig Raumzeichnungen, so die Kunsthistorikerin in ihrer Einführung, hat Grzymala schon gestaltet, irgendwie sind alle wie ein Fortsetzungsroman gedanklich und materiell miteinander verbunden. Die Linie bekommt bei Grzymala ganz ungewohnte Freiheiten: Wenn sie mit so einer Raumzeichnung etwa ein Eisstadion am Ende der Saison gestaltet und die Skater mit Kufen die Linien weiterziehen – 2400 Quadratmeter groß.

Dass auch der Regensburger Kunsthistoriker Christoph Wagner seine Komplimente für Grzymala, Dornacher und das Museum Lothar Fischer abgeben darf, hat einen besonderen Grund: "Ich möchte meine Außenperspektive und Fernwahrnehmung einbringen", sagt der Verfasser einer umfangreichen Michael-Ostendorfer-Monografie. Er will auch den Beweis antreten, "dass Kunstgeschichte kein Orchideenfach ist". Sein Lehrstuhl hat nicht nur 500 Studenten, mit seinen älteren Semestern ist er auch von Athen (documenta) über Venedig (Biennale) bis Münster viel unterwegs, kommt mit ihrer Perspektive jetzt nach Neumarkt und sagt: "Diese Ausstellung ist ein wirklicher Glücksfall!" – mit "wunderbaren Exponaten, der Präsentation in einem herrlichen Haus und der These, das Lothar Fischer "anschlussfähig" ist an die Gegenwartskunst."

Das ist das Schlüsselwort: "anschlussfähig", denn das MLF wird nächstens eines von Wagners Labors sein, um mit den Studenten zu erforschen und zu erproben: Wie mache ich eine Ausstellung, wie spricht man über Kunst, wie bringt man sie richtig an den Mann? Davon demnächst mehr, wenn man die Kooperation in Regensburg besprechen will.

ZDie Ausstellung ist zu sehen bis zum 8. Oktober, geöffnet Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr; nächster Museumstermin am 6. Juli um 19 Uhr: "Rundgang und Gespräch".

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