Neumarkt: 200 Bewerber und nur eine Sozialwohnung

14.3.2018, 00:26 Uhr
Neumarkt: 200 Bewerber und nur eine Sozialwohnung

© F.: Distler

Bürgermeisterin Gertrud Heßlinger ist seit 2003 im Stadtrat, von Anfang an gehört die Sozialdemokratin dem Wohnungsausschuss an. "Es gibt inzwischen eine Dynamik auf dem Wohnungsmarkt, die ich aus den Anfangsjahren nicht kenne", sagt Heßlinger.

Bezahlbarer Wohnraum war schon immer knapp. Gerade für Menschen, die viele Päckchen mit sich herumschleppen; in schwierige Familienverhältnissen leben, keine Arbeit haben, (sucht-)krank sind oder gleich mehreres davon.

Doch inzwischen ist es für sie fast unmöglich, eine Wohnung zu finden. 200 Anträge liegen bei der Stadt vor - im Januar wurde genau eine Wohnung vergeben. Der Wohnungsausschuss des Stadtrates hat mangels Masse 2017 ein geschlagenes Dreivierteljahr nicht getagt.

"Die Stadt kann das nicht alleine richten", sagt Heßlinger. Aber sie sei in der Verantwortung. "Wohnen ist ein Menschenrecht", sagt sie. Als Sozialarbeiterin hat Heßlinger es regelmäßig mit Menschen zu tun, denen der Verlust ihrer Wohnung droht oder die bereits obdachlos sind. "Diese Situation greift die gesamte Existenz eines Menschen an."

Doch ausgerechnet jetzt wird die Stadt Neumarkt die Mieten für ihre rund 300 Wohnungen anheben. Denn der kommunale Prüfungsverband hat schon mehrfach angemahnt, dass die städtischen Immobilien zu günstig auf dem Markt sind. Denn diese liegen teilweise unter dem lokalen Mietspiegel, sagt Kämmerer Josef Graf.

Rund 50 der städtischen Wohnungen sind in einem schlechten baulichen Zustand, bei ihnen wird auch künftig nicht mehr als 3,50 Euro Kaltmiete verlangt. Denn der Mietspiegel erlaubt übrigens einige Anpassungen nach oben und unten. Doch die 250 ordentlichen Wohnungen sollen um zehn Prozent teurer werden, so wie es das Mietrecht erlaubt. Bei neuen Verträgen soll die Vergleichsmiete herangezogen werden.

Der Wohnungsausschuss will eine soziale Komponente einführen, um Arme nicht über Gebühr zu belasten, dass also bei ihnen die Mieterhöhung nicht in dem vollen Umfang greift. Kämmerer Josef Graf kann sich das vorstellen. Er stellt aber Bedingungen. "Der soziale Mietzins soll bei allen gelten, die Geld von der Arge erhalten, dieses nachweisen und zustimmen, dass die Arge die Miete direkt an die Stadt überweist", sagt Graf.

Derzeit ist dies bei 56 Menschen der Fall. Das sind aber bei weitem nicht alle sozial Schwachen, die in einer städtischen Wohnung leben. Es gibt eine Dunkelziffer, denn wer sich die Mietkosten von der Arge ersetzen lässt, ist für die Stadt ein ganz gewöhnlicher Mieter. Um in den Genuss des "sozialen Mietzinses" zu kommen muss er sich also künftig bei der Stadtverwaltung offenbaren. Bisher hat Graf seinen Vorschlag erst im Wohnungsausschuss vorgestellt. Der Neumarkter Stadtrat hat bisher nicht zugestimmt.

Unabhängig davon ist für Gertrud Heßlinger klar: Die Wohnungssituation für sozial Schwache ist unzumutbar. "Es muss etwas geschehen", sagt sie. Die Stadt müsse auf städtischen Grundstücken bauen. Ohne Schnickschnack, möglichst preisgünstig, etwa in modularen Systemen. "Spätestens wenn die Anlage im Deininger Weg fertig ist, muss das nächste Projekt angegangen werden."

"Stärker tätig werden"

Eigentlich ist die Stadt nur verpflichtet für Obdachlose Unterkünfte bereit zu stellen, damit niemand auf der Straße leben muss. Doch selbst Kämmerer Graf, der immer zu einem vorsichtigen Umgang mit den städtischen Finanzen und Liegenschaften mahnt, kann einem stärkeren Engagement im sozialen Wohnungsbau etwas abgewinnen. "Ich persönlich bin der Meinung, dass die Stadt im sozialen Bereich stärker tätig werden sollte. Das können wir uns leisten und wir sollten es tun."

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