Neumarkter Doppelmord: Angeklagter voll schuldfähig

28.1.2014, 06:00 Uhr
Neumarkter Doppelmord: Angeklagter voll schuldfähig

© Michael Matejka

Den Ermittlern bot sich an dem Januartag vor einem Jahr ein grausames Bild. Der 44 Jahre alte Angeklagte Sejdi K. lag blutend vor einer Wohnungstür in einem Neumarkter Mehrfamilienhaus. In der Wohnung lagen die Leichen von Sejdi K.‘s Schwiegervater und Schwager. Wie aber kam es zu der Bluttat, bei der der 65-Jährige und dessen 26 Jahre alter Sohn ums Leben kamen? Wollte sich Sejdi K. rächen, weil ihn seine Frau verlassen hatte und zusammen mit dem gemeinsamen Sohn ins Frauenhaus ging? Oder stach er die beiden Männer aus Notwehr ab, weil sie ihn zuvor angegriffen hatten?

Den deutschen Behörden war Sejdi K. bereits bekannt. Insgesamt siebenmal wurde der 44-Jährige in den vergangenen zehn Jahren rechtskräftig verurteilt. Musste er zunächst nur Geldstrafen für Straftaten wie Diebstahl und Betrug bezahlen, saß Sejdi K. die Strafen später im Gefängnis ab. Die aktuellsten drei Verurteilungen wurden gestern vom Vorsitzenden Richter Gerhard Neuhof verlesen. So kam ans Licht, dass der Angeklagte im Jahr 2009 einen Mann mit einem Küchenbeil attackierte, nachdem er vor einer Spielhalle mit ihm aneinandergeraten war. Schon damals wurde Sejdi K. eine chronisch-depressive Verstimmung attestiert. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Monaten verurteilt - jetzt droht ihm lebenslange Haft.

Schöne Kindheit, guter Schüler

Ein Küchenbeil spielte auch beim Doppelmord in Neumarkt eine entscheidende Rolle. Ein Rechtsmediziner hält es für denkbar, dass sich Sejdi K. mit eben diesem Küchengerät selbst Wunden zugefügt habe, um seine Tat als Notwehr aussehen zu lassen.

Der psychiatrische Sachverständige Michael Wörthmüller hält dies jedoch für abwegig. Wörthmüller hat Sejdi K. untersucht und ihn während der Verhandlung beobachtet. Gestern präsentierte Wörthmüller sein Gutachten. Demnach verbrachte Sejdi K. im Kosovo mit seinen 13 Geschwistern eine schöne Kindheit, er war ein guter Schüler, besuchte sogar das Gymnasium. Vor gut zwanzig Jahren kam der Angeklagte dann zum ersten Mal nach Deutschland. Zunächst kam er bei seinem Bruder in Neumarkt unter, zog dann aber zusammen mit seinem Cousin nach Nürnberg.

Trennung habe ihn erheblich belastet

Kurz darauf lernte er seine spätere Frau kennen - die Frau, deren Vater und Bruder er vor einem Jahr brutal umgebracht haben soll. Bis 2012, so der Gutachter, empfand Sejdi K. die Ehe als völlig unproblematisch. Der Angeklagte betonte, dass er seine Frau nicht - wie von Zeugen im Prozess geschildert - rausgeschmissen habe. Die Trennung habe ihn erheblich belastet, so Wörthmüller. Sejdi K. sei damals in den Kosovo gereist um seine kranke Mutter zu sehen. Als er wieder zurückkam, wollte er seinen Sohn wiedersehen - scheiterte aber mit seinen Versuchen.

Dieser Konflikt war es auch, der Sejdi K. dazu brachte, am Tag vor der Bluttat mit Selbstmord zu drohen. Wörthmüller berichtete, dass der Angeklagte auch vor der Verhandlung in Haft verstärkt an Selbstmord dachte. Deshalb wurde er auch für einige Zeit nach Würzburg verlegt.

Tendenzen zu depressiven Störungen

Von Psychosen könne man laut Wörthmüller nicht sprechen. Der durchschnittlich intelligente Angeklagte zeige auch keine Anzeichen für hirnorganische Störungen. Zwar zeige er eine Tendenz zu depressiven Störungen, im Falle einer Verurteilung sei er jedoch strafrechtlich voll verantwortlich. Eine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung sei deshalb nicht angebracht.

Der Prozess wird heute fortgesetzt. Ein Zeuge soll noch vernommen werden: ein Imam, mit dem der 65 Jahre alte Getötete nur wenige Tage vor der Tat über sein Verhältnis zum Angeklagten gesprochen haben soll. Anschließend werden die Plädoyers erwartet. Unter Umständen könnte heute ein Urteil fallen.

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