Neumarkter muss in Haft: Cannabis zur Schmerztherapie bleibt Straftat

26.8.2017, 20:31 Uhr
Neumarkter muss in Haft: Cannabis zur Schmerztherapie bleibt Straftat

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Um diese Genehmigung, Cannabis als Medikament kaufen und verwenden zu dürfen, bemühte sich ein 34-jähriger Gärtner bislang erfolglos. Selbst das Attest seiner Ärztin, die ihm Schmerzattacken bescheinigte, die auf einer Skala bis zehn den Zeiger ganz nach oben ausschlagen lassen, hat noch nichts genutzt.

Bei einem Urlaub 2014 war der junge Mann überfallen und mit einer Flinte angeschossen worden. Ein Teil der Schrotkugeln konnte entfernt werden, viele stecken inoperabel im Körper und bereiten ihm immer wieder große Pein. Dagegen helfe zuverlässig ein Joint, sagt er. Auch gegen die Appetitlosigkeit, die den sehr schlanken Mann seit Kindheitstagen plagt.

Vor das Amtsgericht Neumarkt war er zitiert worden, weil er sich als gelernter Gärtner zu helfen wusste, wenn auch nicht auf die ganz gesetzestreue Art. Bei der Durchsuchung seines kleinen Betriebs wurden 23 gut entwickelte Marihuana-Pflanzen sicher gestellt und knapp 170 Gramm getrocknete Cannabis-Pflanzenteile von unterschiedlicher Güte – von schwach wirksam bis zu echt gutem Stoff.

Außerdem fand die Polizei noch fast 2300 Euro Bargeld, die von der Staatsanwaltschaft ebenfalls einkassiert wurden. Die Regel, nach der das geschah, hält Richter Rainer Würth für mindestens fragwürdig. Denn weder wurde dem Angeklagten Handel mit Drogen vorgeworfen, noch stand er jemals unter diesem Verdacht. Also treffe vermutlich zu, dass das Geld der Verlobten des Angeklagten gehörte, die bei ihm wohnt – sie bekommt es wieder.

In ärztlichen Gutachten, in denen es um die Genehmigung ging, Cannabis legal zu beziehen, hieß es, dass die Schmerztherapie mit Opiaten noch nicht ausprobiert worden sei. Nicht nur der Angeklagte und sein Verteidiger Gunther Kellermann stellen sich die Frage, was vorzuziehen sei: Eine Behandlung mit Opiaten nach Recht und Gesetz oder Abhilfe mit einer illegalen, aber weichen Droge.

Überdies, so der 34-Jährige, sei er in dem Krankenhaus im Ausland, in dem seine Schussverletzungen behandelt worden war, mit medizinischen Schmerzmitteln auf Opium-Basis vollgestopft worden. "Mir war nur noch schlecht", nennt er vor Gericht als Begründung, weshalb er es seither ablehnt, auf solche Mittel zurückzugreifen. Oder auf Epileptika, wie ein anderer Arzt vorgeschlagen hatte.

Kein Vergleich mit Kriminellen

In einem vorweg genommenen Plädoyer stellte der Verteidiger auch die rhetorische Frage, wem sein Mandant denn schade. Er sei sicherlich nicht mit einem Kriminellen zu vergleichen, der am Nürnberger Bahnhof Drogen vertickt.

Auch Staatsanwalt Robin Pyka fand viele Argumente, die für den Gärtner sprachen: Sein offenes Geständnis, die Lebensumstände nach der Schießerei sowie der Umstand, dass nur Besitz und Anbau von Marihuana (einer weichen Droge) zur Diskussion stand und nicht der Handel. Auch glaubte der Staatsanwalt dem Angeklagten, dass die Droge nur zur Schmerzbekämpfung verwendet werde und nicht aus Jux und Tollerei.

Dennoch sind da die einschlägigen Vorstrafen und eine offene Bewährungszeit, in deren Ende die fragliche Tat gefallen war. Er komme, so Staatsanwalt Robin Pyka, um eine Haftstrafe nicht herum und forderte ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung. Denn die Sozialprognose sei einfach nicht überzeugend genug.

Auch Gunther Kellermann war klar, dass auf seinen Mandanten eine Haftstrafe zukommen würde. Aber der 34-jährige Angeklagte sei der eine unter Tausend, bei dem in der Bewährungsfrage eine Ausnahme gemacht werden müsse, so der Verteidiger.

"Sie haben sich da böse reingeritten," machte Richter Rainer Würth anschließend dem Angeklagten klar. "Da kann Ihnen kein Rechtsanwalt und kein wohl meinender Richter oder Staatsanwalt raus helfen. Auch wenn ich Ihnen glaube, was Sie über Ihre Schmerzen gesagt haben."

Mit einer Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung ging Würth an den untersten Rand des Strafmaßes. Mehr Spielraum habe er nicht, erläuterte der Richter und fuhr fort, dass er jedoch dabei helfen wolle, dass der Gärtner die vorherige Haftstrafe wegen des gleichen Delikts, für die die Bewährung inzwischen abgelaufen ist, nicht absitzen muss.

Der selbstständige Handwerker, dessen Kleinunternehmen offenbar nicht die Welt abwirft, sieht sich auch außer Stande eine private Krankenversicherung zu bezahlen. Er behelfe sich derzeit mit einem preiswerten Schutz für den Notfall. Da könne er eine Cannabis-Therapie nicht geltend machen, selbst wenn ihm die Genehmigung dafür erteilt werde.

Das war mit ein Grund, warum Richter Würth Zweifel an der Sozialprognose hatte: "Ich fürchte, Sie werden weiter machen – müssen." Er riet dem Mann abschließend dazu, sein Berufskonzept zu überdenken und sich eine Anstellung zu suchen. Dann sei er wenigstens krankenversichert.

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