Nicole Häring dient dem Vaterland

19.6.2017, 13:09 Uhr
Nicole Häring dient  dem Vaterland

© Foto: Edgar Pfrogner

In der Amberger Leopoldkaserne ist die Hauptgefreite aus Kastl stationiert, bei der Stabsfernmeldekompanie Panzerbrigade 12. Verschiedenste Aufgaben erfüllt sie hier, kümmert sich immer wieder um die Bewirtung von Gästen, schiebt 24- Stunden-Schichten, arbeitet im Büro. Sie sei die "rechte Hand des Spieß" , sagt sie: Der habe immer genug zu tun und immer eine Aufgabe für sie.

An ihren allerersten Tag bei der Bundeswehr kann sie sich noch gut erinnern. Sie war mit mehreren Neulingen in einem Raum, da fiel ihr Nachname: "Ja?", war ihre Reaktion. "Da hab ich schon meinen ersten Anpfiff kassiert, so von wegen ,jawohl, heißt das’, das war schon deutlich." Im allerersten Moment habe sie den Impuls gehabt, auf dem Absatz kehrt zu machen und wieder rauszugehen. Doch der Moment ging vorüber, und Nicole Häring blieb.

Sie hat die zwei Monate Grundausbildung überstanden. Die ersten längeren Märsche mit vollem Marschgepäck – mit 30 Kilogramm im Rucksack – waren hart, dazu mussten die neuen Stiefel erst eingelaufen werden: "Meine Fersen waren mehr als wund", das weiß sie noch gut. Auf dem Bauch durch den Dreck zu kriechen in voller Montur war auch nicht ihre Lieblingsbeschäftigung.

Wilde Seiten abgelegt

Aber sie hat alles durchgezogen, denn die klaren Regeln und die Strukturen schätzt sie durchaus: Lebhaft und selbstbewusst ist sie geblieben, manche andere wilde Seite habe sie abgelegt. "Ich habe mich dadurch weiterentwickelt, positiv", sagt sie. Statt heftiger Partys sei ihr inzwischen auch abends die Couch lieber.

Im Moment macht sie außerdem ihren Quali nach, demnächst hat sie die erste Fahrstunde zum Lkw-Führerschein. "Ich probiere alles mal aus", sagt sie, hat schon "alle möglichen Fahrzeuge mit Y-Kennzeichen" gesteuert und auch den Wolf, einen Geländewagen, gefahren.

Fünf Frauen sind in ihrer ganzen Kompanie im Einsatz. Das sei überhaupt kein Problem, sagt Häring, schließlich sei sie mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen. Mit dem rauen Ton – "hier gibt es kein Bitte oder Danke, hier heißt es: Du machst jetzt" – müsse man halt zurechtkommen, und das sei schnell gegangen.

Seltsame Sprüche

Zwischen Frauen und Männern werde kein Unterschied gemacht, etwa beim Sportpensum: Da seien alle gleich. Komische Sprüche von ihren Kameraden höre sie nicht, "das ist wie an jedem Arbeitsplatz", findet sie.

Seltsam angeredet wird sie eher, wenn sie in Uniform außerhalb unterwegs ist, etwa beim Einkaufen, was auch immer wieder eine ihrer Aufgaben ist. Gerade ältere Männer seien da mitunter aufdringlich und fragen sie ernsthaft, ob da beim Biwak auch gekuschelt werde, wenn Männlein und Weiblein miteinander Dienst haben. "Da hat man was anderes zu tun", sage sie dann, wenn sie überhaupt auf so eine Bemerkung eingeht.

Freiwillig kümmert sich Nicole Häring um das Kriegsgräberdenkmal im Amberger Katharinenfriedhof. Dort gießt sie, neulich hat sie dort einen Bereich von Unkraut und Dornen befreit und neu angepflanzt: "Das mache ich gerne, das ist für mich eine Sache der Ehre."

So hat sie sich ebenfalls freiwillig gemeldet, um in Italien bei der Pflege des riesigen deutschen Militärfriedhofs Futapass zu helfen: 30 800 Soldaten ruhen dort. Zwei Wochen lang war sie in sengender Hitze auf dem Bauch gelegen, um die Namen der Verstorbenen auf den Steinen schwarz nachzuzeichnen, hat beim Rasenmähen und anderen Arbeiten mitgemacht. Sie hat auch erlebt, dass neue Gräber dazukamen, weil irgendwo Gebeine gefunden wurden. "Wenn man diese unglaublich vielen Reihen von Gräbern sieht, kommt man schon besonders ins Nachdenken", erinnert sie sich.

Kosovo-Einsatz war geplant

Einen anderen Auslandseinsatz hat Nicole Häring noch nicht mitgemacht, heuer hätte sie in den Kosovo gehen sollen, aber dann haben sich die Pläne geändert. Vielleicht klappt es noch in ihrer Dienstzeit, die noch ein Jahr läuft, denn "alles ausprobieren" gilt für Häring auch hier: "Dafür habe ich unterschrieben, und wenn es anliegt, mache ich es auch." Davor würde sie dann noch auf den Einsatz vorbereitet – allgemein und landesspezifisch: Noch einmal werden Märsche mit Waffen und Gepäck geübt, das Schießen trainiert und vieles mehr.

Das Schießen zu lernen, fand sie interessant. In ihrer Familie gibt es einige Jäger, selber geschossen hat sie vor der Zeit beim Bund aber noch nie. Eine Kollegin von ihr schied nach der ersten Schießstunde aus: Sie hatte so sehr gezittert, als sie die ungeladene Waffe in die Hand nehmen sollte, dass klar war: Das ist nichts für sie.

Das Schießen gefällt

Für Nicole Häring war das aber kein Problem, auch das gemeinsame Schießen mit den älteren Kollegen von der Militärkameradschaft einmal im Jahr gefällt ihr gut.

Was sie nach dem vierten Jahr macht, ob sie sich noch länger verpflichten wird, ist noch offen. Weil die Tage der Amberger Leopoldkaserne als Standort ihrer Kompanie gezählt sind, müsste sie dann künftig von Kastl, ihrem Wohnort, nach Cham pendeln.

Zurück in die Druckerei?

Vielleicht probiert sie es ein Jahr, um zu sehen, ob das auch für länger eine Option wäre. Vielleicht geht sie auch wieder zurück zu der Druckerei, in der sie vorher gearbeitet hat. Der Chef dort hat ihren Wunsch, "das mit der Bundeswehr mal auszuprobieren", schon verstanden, hätte sie aber gern weiter beschäftigt.

Wenn sie mal beim Bund ausscheidet, hat er ihr gesagt, kann sie gern wieder zurückkehren. Oder sie fängt mit ihrem Quali etwas ganz anderes an – auch einen Job bei der Justizvollzugsanstalt könnte sie sich vorstellen. Es gibt im Leben ja vieles auszuprobieren.

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