Qualifizierte dürfen nicht arbeiten

14.12.2013, 12:00 Uhr
Qualifizierte dürfen nicht arbeiten

© Winckler, dpa

Volkswirtschaftler nennen das Vollbeschäftigung: Auf genau zwei Prozent verharrt im Landkreis im Moment die Arbeitslosenquote. Von Januar bis November haben Unternehmen genau 2135 unbesetzte Stellen bei der Arbeitsagentur gemeldet (wir berichteten). Die Nachfrage vor allem nach Qualifizierten ist stark.

Einerseits. Andererseits gibt es im Moment im Landkreis Neumarkt knapp 200 Asylbewerber mit steigender Zahl, darunter nach Einschätzung von Wolfgang Minet, Sprecher der Flüchtlingshilfe Neumarkt, viele Menschen mit ordentlichem Qualifikationsprofil. Der Ausländerbetreuer kennt beispielsweise Betroffene aus dem Iran, die als Psychologe, Bankangestellter oder Handwerker gearbeitet haben. Ein 50 Jahre alter Filmproduzent aus dem Ayatollah-Staat wartet seit 14 Monaten auf seine Anerkennung als politischer Verfolgter. Minet: „Er ist zur Untätigkeit verdammt.“

Aber der iranische Filmemacher könnte ohnehin nur festangestellt arbeiten — eine selbstständige Berufstätigkeit würde ihm laut Auskunft des Ausländeramtes im Neumarkter Landratsamt verwehrt werden.

Im Behördendickicht

Grundsätzlich haben Asylbewerber tatsächlich die Möglichkeit, sich nach einer bestimmten Frist um eine Arbeitserlaubnis zu bemühen: Befindet sich der Betroffene im Asylverfahren, dann geht das nach neun Monaten; ist er bereits abgelehnt und nur im Land geduldet, dann läuft die Sperrfrist zwölf Monate. Danach erwartet den Arbeitswilligen ein ziemlich bürokratisches Verfahren: Der Jobsuchende muss sich selbst auf die Suche nach einem Arbeitsplatz begeben. Der mögliche Arbeitgeber muss dann in einem Formblatt bestätigen, dass er die Frau oder den Mann einstellen will und zu welchen Konditionen.

Diesen Antrag reicht dann der Asylbewerber bei der Ausländerbehörde ein. Und die schickt das Formblatt zur Überprüfung an die „Zentrale Auslands- und Fachvermittlung“ (ZAF) bei der Agentur für Arbeit in München. Streng genommen müsste diese Zentralstelle nun eine „Arbeitsmarktprüfung“ vornehmen und die Stelle einem „bevorrechtigten Arbeitslosen“ anbieten, der keine besondere Arbeitserlaubnis braucht. In der Praxis fällt nach Angaben des Regensburger Sprechers der Arbeitsagentur, Robert Brüderlein, dieser Prüfungsschritt weg — wohl auch wegen der Aussichtslosigkeit, beim gegenwärtigen Arbeitsmarkt einen „Gegenkandidaten“ zu finden.

Kommt das Okay der Arbeitsagentur, dann gebe es auch „in der Regel von uns die Zustimmung“, so eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde im Landratsamt. Eine genaue Zahl der erteilten Arbeitserlaubnisse im Landkreis ist dort nicht zu erfahren. Es seien „nicht viele, nur ein paar“.

Das hat nach Einschätzung von Flüchtlingsbetreuer Minet auch mit der Dauer des bürokratischen Verfahrens zu tun, wobei hier die Angaben weit auseinandergehen: Während die Kreis-Ausländerbehörde von „sieben bis 14 Tagen“ spricht, nennt der Flüchtlingsbetreuer Fristen von sechs Wochen bis drei Monate. „Welcher Arbeitgeber ist bereit, eine Stelle so lange freizuhalten?“, so Rechtsanwalt Minet.

Mangelnde Sprachkenntnisse

Das größte Hindernis sieht der Sprecher der Flüchtlingshilfe in den mangelnden Sprachkenntnissen und dem Umstand, dass es bisher nicht gelungen sei, Sprachkurse anzubieten. Jedenfalls sei der Landkreis Neumarkt nicht unter den 40 Gebietskörperschaften, in denen gegenwärtig ein „Modellversuch“ läuft. Der privat angebotene Deutschkurs in der Asylbewerberunterkunft in Neuhaus bei Berching ist bisher eine Einzelaktion.

Auf Bundesebene kommt nun ganz offensichtlich Bewegung in das Thema: Die Süddeutsche Zeitung berichtete am vergangenen Wochenende über Pläne, zumindest qualifizierte Asylbewerber leichter in Arbeit zu bringen. Es gebe bereits entsprechende Konzepte der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg, hieß es in dem Zeitungsbericht.

Kommt der Arbeitsmigrant?

Der Bundesamts-Chef Manfred Schmidt plädiere dafür, vor dem eigentlichen Asylverfahren die Eignung für den deutschen Arbeitsmarkt zu prüfen und den betroffenen Flüchtlingen dann als „Arbeitsmigranten“ einen Aufenthaltstitel zu geben. Eine Sprecherin des Bundesamtes bestätigte gegenüber den Neumarkter Nachrichten, dass der Behördenchef diese „Idee immer wieder geäußert“ habe. Die Sprecherin wies darauf hin, dass der eben ausgehandelte Koalitionsvertrag einen „nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt nach drei Monaten“ vorsehe.

Der Neumarkter Flüchtlingsbetreuer Wolfgang Minet sieht einer solchen Regelung erwartungsvoll entgegen: Es müsse für alle Aslybewerber, nicht nur für hochqualifizierte, einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt geben. „Dadurch würden auch viele soziale Probleme besser gelöst.“

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