Seit fast 800 Jahren gibt es Altenpflege in Neumarkt

17.6.2018, 10:17 Uhr
Seit fast 800 Jahren gibt es Altenpflege in Neumarkt

© Foto: Günter Distler

In welchem Jahr genau das Neumarkter Spital errichtet wurde, ist nicht überliefert. Wohl kurz vor 1239, denn in jenem Jahr bestätigte Papst Gregor IX. die Stiftung. Errichtet wurde das Gebäude vor dem Unteren Tor, ungefähr dort, wo heute das Landratsamt steht.

Gegründet hat das Spital der Hagenauer Schultheiß Marquard Puttigler und sein gleichnamiger Sohn, der seinerzeit Schultheiß von Neumarkt war. Sie übergaben die neue Einrichtung dem Chorherrenorden zum Heiligen Geist, es unterstand dem Ordensvikariat Stephansfeld im Elsass.

Die Spitalbewohner, die sogenannten Pfründner, mussten versorgt werden. Im Lauf der Zeit erwarb das Spital ein großes Vermögen. Nicht nur in Schilling und Pfennig, etwa durch fromme Spenden, Nachlässe und Gottesdienststiftungen. Heilig Geist besaß auch schon bald einen großen Grundbesitz in über 60 Orten, Höfe, Mühlen, Wälder (wie den Spitalwald bei Rittershof). Oder gleich das ganze Dorf Lippertshofen.

Der Spitalmeister – der Vorläufer des Seniorenheimleiters – und der Neumarkter Rat entschieden gemeinsam, wer aufgenommen wurde, wer sich eines halbwegs sorgenfreien Lebensabends erfreuen durfte. Das Spital besaß auch eine Frauenabteilung. Männer bekamen mehr Bier und Speisen als Frauen, Paare erhielten eine Ehehaltungspfründe.

1455 wurde das Spital durch einen Brand schwer beschädigt. Kaum wieder aufgebaut, machten es die Nürnberger 1504 im Landshuter Erbfolgekrieg dem Erdboden gleich. Denn es lag nun mal außerhalb des Stadttores und so bei Belagerungen mitten in der Schusslinie. Dennoch wurde es zunächst an alter Stelle wieder aufgebaut.

In dieser Zeit geriet der Rat in einen Streit mit Spitalmeister Johann Retzer, der der Vorteilnahme und generell eines "leichtfertigen Lebenswandels" bezichtigt wurde. Auf Geheiß des Pfalzgrafen Friedrich wurde Retzer sogar in den Kerker geworfen. Um das Chaos zu beenden, kam der Landesherr zu dem Schluss, es sei das beste, die Zuständigkeit für das Neumarkter Spital vom Heilig-Geist-Orden auf die Stadt zu übertragen. Papst Klemens VII. und die Ordensleitung in Rom stimmten dem 1531 zu. Von nun an lag das Spital in weltlichen Händen.

Täglich Fleisch und Bier

Der Wunsch des Pfalzgrafen, das Spital mit dem Bruderhaus, dem städtischen "Altenheim" an der Bräugasse (siehe Artikel unten), zu vereinigen, stieß beim Rat auf Ablehnung: kein Geld, kein Platz, zu wenig Wasser für die Körperpflege, zu viele Feuerstellen unter einem Dach.

In der Reformationszeit ging die Stiftung den Bach hinunter. Ebbe in der Kasse: An vier Tagen mussten die Pfründner aufs Abendessen verzichten. Im Dreißigjährigen Krieg standen dann die Schweden vor Neumarkt – und machten 1633 das Spital erneut platt. Die Spitalpfründner wurden fürs Erste ins Bruderhaus gesteckt.

Nur vier alte Menschen wurden damals im Spital verpflegt; sie erhielten täglich Fleisch und Bier, jede Woche zwölf Kreuzer und an Pfingsten ein Pfund Kalbfleisch. Es gab damals aber auch schon eine Art "Essen auf Rädern", wobei Kost aus dem Spital in die Wohnung eines Pfründners gebracht wurde.

Unweit des Bruderhauses errichtete die Stadt Mitte des 17. Jahrhunderts ein neues Spitalgebäude, nun innerhalb der Stadtmauer, an der heutigen Spitalgasse. Der Neubau hieß weiterhin "Spital zum Heiligen Geist". Gegen Ende des Jahrhunderts wurde er erweitert, als die Zahl der Bewohner auf 40 anstieg; 1771 waren es dann schon 58.

Nach 120 Jahren waren die Gebäude schon dermaßen heruntergekommen, dass der Rat – übrigens gegen den Widerstand der Senioren – einen Neubau in der heutigen Spitalgasse Hausnummer 3 und 4 beschloss. Im Zuge dessen wurde auch die kleine Spitalkirche errichtet.

Flurdienst und Betpflicht

Neben Kost und Logis bezog im Jahr 1843 jeder Pfründner acht Kreuzer am Tag. Und eine große Portion Brennholz, so dass die alten Leute begannen, überschüssiges Holz an die Bürger weiter verkauften.

Im Jahr 1893 wurden Spital und Brüderhaus zur "Vereinigten Wohltätigkeistsstiftung" zusammengelegt. 359 000 Markt betrug ihr Vermögen drei Jahrzehnte später. 1930 bekamen die Bewohner nur noch zweimal in der Wochen ein Mittagessen, dafür Geld, Holz, Kohlen und eine ambulante Krankenpflege. Treppe und Hausgang mussten sie reihum selbst wischen, solange es ihre Gesundheit zuließ.

Laut Hausordnung wurde das Spital um neun Uhr abends geschlossen, im Winter schon um acht. Ruhestörung wurde nicht geduldet. Das Gebet für die Stifter an jedem Sonntag war Pflicht; wer nicht kam, zahlte einen Kreuzer Strafe.

Über allem wachte ein gestrenger Hausmeister. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs konnte der Zerberus auch nichts mehr richten: 1945 wurde das Spital mit der fast kompletten Altstadt zerstört. Es wurde nicht mehr aufgebaut – am Hofplan errichtete die Stadt ein neues Altenheim.

Keine Kommentare