Senioren liebten ihr warmes Stübchen im Bruderhaus

17.6.2018, 10:19 Uhr
Senioren liebten ihr warmes Stübchen im Bruderhaus

© Foto: Stadtarchiv

Viele Neumarkter Wohltäter beteiligten sich ab dem Mittelalter an dem frommen Werk. Zwölf armen Mitbürgern – Greise, Witwen, alte Ehepaare – sollte geholfen werden, mit einer warmen Wohnung und Kostgeld. So das Ziel der Stiftung. Es wohnten aber zeitweise bis 15 Personen im Haus. Um 1900 waren es dann an die 40 – Weiblein und Männlein, woran noch im 19. Jahrhundert die Regierung in Amberg Anstoß nahm.

Das Kostgeld wurde jeden Mittwoch ausgezahlt. Die alten Leute mussten sich in einer der sieben Küchen ihr Süppchen selber kochen. Ein Maß Bier gab es täglich gratis. Die Fleischrationen wurden an den hohen kirchlichen Feiertagen verdoppelt.

Senioren liebten ihr warmes Stübchen im Bruderhaus

© Foto: Stadtarchiv Neumarkt

Das Bruderhaus finanzierte sich über Zustiftungen und Waldbesitz, abgabepflichtige Bauern versorgten es mit Getreide und manch leckerem Happen.

War für einen hochgeehrten Altbürger wie den pensionierten Lehrer Schmid gerade kein Stübchen im Bruderhaus frei, mietete der Rat für ihn eine Wohnung an und versorgte ihn dort auf Kosten der Stiftung. Diese fungierte sogar als Kreditanstalt, verlieh Geld zu günstigen fünf Prozent.

Am Hungertuch genagt

Als während des Dreißigjährigen Krieges der Hausverwalter bei der Stadt eine Verringerung der Bier- und Fleischrationen beantragte, gingen die Pfründner auf die Barrikaden: Sie bekämen eh schon weniger als ihnen zustehe, und außerdem sei das Fleisch ungenießbar. Sie fanden kein Gehör. Wenige Jahre später klagten die Alten, sie seien dem Hungertod nahe. Der Rat bedauerte: Die Stadtkasse sei gähnend leer.

Zu diesem Zeitpunkt gab es schon eine weitere Wohltätigkeitsstiftung in Neumarkt, das Schwesterhaus. Um die 20 Frauen wurden zunächst in der Hallertorstraße, dann ab 1859 in der heutigen Schwesterhausgasse an der östlichen Stadtmauer versorgt. Die älteren Damen wurden gelegentlich selbst zur Pflege von Kranken und Wöchnerinnen herangezogen.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte der Magistrat mehrmals, Spital, Bruder- und Schwesterhaus in einem Neubau zusammenzulegen, Synergieeffekte zu nutzen. Das führte zu einem Proteststurm im Bruderhaus: Die Bewohner "wollten keinen gemeinsamen Tisch, keine Betreuung durch Ordensfrauen, kein modernes Gebäude", schreibt der Neumarkter Heimatkundler Hans Meier in seinen "Stadtgeschichten". "Sie liebten ihr warmes Stübchen und sträubten sich gegen die Umwandlung in eine Beschäftigungsanstalt."

So blieben die einzelne Altenheime bestehen, doch wurden die lokalen Stiftungen 1893 zur "Vereinigten Wohltätigkeitsstiftung" fusioniert. Deren einst stattliches Barvermögen fiel in der Weimarer Republik der Inflation zum Opfer.

 

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