Sportbereich und Sauna sind ,Devisenbringer‘

25.10.2013, 00:00 Uhr
Sportbereich und Sauna sind ,Devisenbringer‘

© Etzold

Wenn das kein Dankeschön an die Heimatstadt ist: Die 75. Veranstaltung der Vortragsreihe Architektur & Baukultur stand ganz im Zeichen von Schwimmbadbauten. Ernst Ulrich Tillmanns, Partner und Gründungsmitglied des Stuttgarter Architekturbüros 4a, war der Einladung von Johannes Berschneider nach Neumarkt gefolgt und berichtete im Museum für historische Maybach-Fahrzeuge über die vielfältigen Möglichkeiten, auch zweckorientierten Sport- und Freizeitbauten Atmosphäre zu verleihen.

Unter diesem Titel stand der gesamte Werkbericht – zu Recht, denn der Funke sprang über. „Atmosphäre ist etwas sehr Subjektives und spiegelt die Empfindungen des Individuums wider“, so der Architekt. Formen und Funktionen spielen da hinein, Farben und Licht ebenso wie das Zusammenwirken von Baukörper und Einrichtung. „Das alles ist in seiner Entstehung zunächst offen und in Bewegung, doch am Ende steht eine ganzheitliche Lösung“, beschreibt Tillmanns den Prozess und damit auch die Aufgabe des Architekten.

Das Haus für die Landschaft

Den Grundstein zum Bäderspezialisten legte einst eine Anfrage aus Tuttlingen. Die Stadt wollte auf einem parkähnlichen Grundstück ein neues Freizeit- und Thermalbad errichten und fürchtete um den alten Baumbestand. „Uns war klar, dass das Bauwerk in die Landschaft passen und sich ihr zugleich anpassen muss“, blickt Tillmanns zurück. Was lag also näher, als sich die Landschaft der Umgebung genau anzuschauen und sich von ihr inspirieren zu lassen?

Felsen, Seen und dichter Baumbestand waren die Dominanten, die auch in dem Bauwerk als Zitate auftauchen: Die aus Sichtbeton modellierten Trennwände zum Saunabereich erinnern an Felsformationen, das Dach besteht aus Holz und zitiert innen mit farbig gestalteten Akustikelementen einen herbstlich gefärbten Laubwald. An vier Stellen ist das Dach von Glaszylindern durchbrochen. So entsteht innerhalb des Gebäudes ein Lebensraum für große Bäume, wie auch die Fassade der Schwimmhalle über großzügige Glasflächen die Natur hineinlässt. Die Becken sind frei modelliert und passen sich den ursprünglich gewachsenen Strukturen an. Dennoch kommt die Funktionalität nicht zu kurz: So erschließt sich der Saunabereich ausschließlich über das Obergeschoss, während der Restauranttrakt sich gut zugänglich im Parterre konzentriert.

Wertschätzung für Besucher

TuWass, so hatte 4a Architekten das Tuttlinger Projekt getauft – nomen est omen, denn zu tun bekam das Büro in den Folgejahren reichlich. Zu den jüngeren Projekten zählt der Neubau des Thermalbades in Bad Ems, für den die Kieselsteine der benachbarten Lahn Pate gestanden sind. Sowohl die Gebäudekörper samt Fassade und die Becken als auch die Einbauten erinnern an die handschmeichelnde Form eines geschliffenen Flusskiesels. Kleinteiliges Fliesenmosaik wechselt sich ab mit den eigens entworfenen und handgeschnittenen Marmorplatten der Beckenränder: „Diese Wertigkeit ist für uns gelebte Nachhaltigkeit: Zum einen sind die Bauteile langlebig, und zum anderen fasst sie der Besucher immer wieder gerne an“, erklärt Tillmanns die Philosophie seines Büros.

Dass sich auch mit einem schlankeren Kostenrahmen sehr Ansprechendes gestalten lässt, beweist 4a Architekten mit einem Hallensportbad in Biberach. Ein heruntergezogenes Pultdach mit Zinkblecheindeckung reduziert die Glasflächen, verglaste Stirnseiten bringen dennoch reichlich Tageslicht in die Schwimmhalle. Kräftige Farben und klare Linien sorgen für ein freundliches Interieur.

Eine ganz andere Atmosphäre war für einen Wellnesspark in einem Moskauer Wohnhaus gefragt: edle Materialien, zurückhaltender Luxus mit einem Schuss Glamour. Wie eine eigenständige Skulptur hat 4a Architekten den zweistöckigen Bereich unter die weiteren 21 Stockwerke des Hochhauses geschoben.

Sensibler Umbau

Einen Neubau mit Atmosphäre schaffen ist die eine Sache, eine Atmosphäre im Bestand verändern eine ganz andere. Diese Aufgabe ereilte Tillmanns beim Umbau einer Therme in Bad Salzuflen. Die kühl wirkende Halle des Traditionsbades mit einem einzigen großen Becken wandelte sich zu einer Badelandschaft mit vier verschiedenen Becken und versetzten Ebenen. „Eine Neuheit haben wir mit gläsernen Dampfbadkabinen und mit vier Quadratmeter großen Regenfeldern im Beckenbereich geschaffen“, so Tillmanns.

Zur Zeit arbeitet sein Team an dem Innenausbau einer denkmalgeschützten Villa an der Côte d'Azure. Die einstige, vergleichsweise kleinteilige Mauerwerksaufteilung wich durchgehenden Stockwerken, die nur sparsam gegliedert werden – eine Art Loftatmosphäre zwischen historischen Mauern aus den 1920er Jahren.

Was gilt es bei den Überlegungen zu einem Erlebnisbad oder Ganzjahresbad besonders zu beachten? Diese Frage lag vor dem Hintergrund zu den Neumarkter Überlegungen besonders nahe, und die Antwort von Ernst Ulrich Tillmanns kam ebenso spontan wie eindeutig: „Zunächst muss der Bauherr die Rahmenbedingungen festschreiben: Der Flächenplan muss stehen, die Art des Bades, die Anzahl der Becken und ihre Größe. Nur der Bauherr kann abschätzen, was sich seine Bevölkerung wünscht und was er sich leisten kann und will.“ Erst dann ließen sich realistische und zielgenaue Entwürfe konzipieren; Tillmanns und empfiehlt für einen Ganzjahresbetrieb auf jeden Fall einen Sport- und Saunabereich: „Das sind die Devisenbringer“. Gut zu wissen.

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