Sportvereine sollen sich für Migranten öffnen

23.10.2014, 19:26 Uhr
Sportvereine sollen sich für Migranten öffnen

© F.: colourbox.de

Mit aktuellen Zahlen belegte Rainer Hortolani, Integrationsbeauftragter im Stadtrat, dass in und um Neumarkt Bedarf vorhanden ist: So leben im Stadtgebiet 2911 Personen aus 87 Nationen, im Landkreis sind es 7600 aus 115 Nationen. Hinzu kommen 480 Asylsuchende in 26 Unterkünften im Landkreis. In den Sportvereinen sind diese aber deutlich unterrepräsentiert: Während im Bundesdurchschnitt Migranten 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, stellen sie nur zehn Prozent der Mitglieder in Sportvereinen. Noch stärker ist der Unterschied bei den Frauen: Während Frauen insgesamt 40 Prozent der Vereinsmitglieder stellen, liegt der Anteil der Frauen mit Migrationshintergrund nur bei fünf Prozent.

Conny Baumann befasst sich bereits seit der Aussiedlerwelle 1990 mit dem Thema Integration. Mittlerweile setzt sie das bundesweite Integrationsprogramm in Bayern um. Dafür hat der Bayerische Landessportverband vier Regionalbüros eingerichtet, unter anderem in Regensburg, die Vereine vor Ort unterstützen.

Ziel des vom Bundesamt für Migration und dem DSOB konzipierten Programms ist die Integration in den Sport und das Vereinsleben und zugleich die Integration durch den Sport in die Gesellschaft. Conny Baumann betonte, dass Vereine die Integration auch als Chance für sich erkennen müssten – „aber das muss eine strategische Entscheidung des Vorstands sein, damit es funktioniert“. Auch müsse ein Verein seine Bereitschaft zur interkulturellen Öffnung und entsprechende Angebote gezielt nach außen kommunizieren.

Conny Baumann und ihre Kollegen helfen Sportvereinen bei Selbstchecks, der Leitbildentwicklung, der Entwicklung neuer Angebote oder der Mitgliedergewinnung. Hierzu gehört die Unterstützung bei Integrationsmaßnahmen wie Turnieren und Ferien- sowie Schnupperangeboten. Weitere Hilfen sind Aus- und Fortbildungen für Übungsleiter und für an ehrenamtlicher Mitarbeit interessierte Migranten.

In einem speziell an Migrantinnen gerichtetem Projekt hat „Integration durch Sport“ in Bayern 150 Übungsleiterinnen ausgebildet, die Frauen und Mädchen aus ihrem Umfeld in die Vereine gebracht haben. Als „ganz kleine Geschichte mit riesigem Effekt“ hat sich der Kurs „Fahrradfahren für Frauen“ erwiesen. Mittlerweile sind drei Fahrradmobile in Bayern unterwegs, um Migrantinnen zu größerem Bewegungsradius zu verhelfen. Neuestes Angebot ist der „Sportscheck“ zur interkulturellen Öffnung: Hier muss ein Verein nur die Räume stellen und die Teilnehmer zusammenbringen, „Integration durch Sport“ führt die Maßnahme durc.

Für die Neumarkter Vereine war Integration bisher kaum ein Thema. Peter Schnell, Vorstand des BSC Woffenbach sieht jedoch erhebliches Potenzial gegen den Mitgliederschwund. Aktuell haben etwa fünf Prozent der BSC-Mitglieder Migrationshintergrund, wobei die größten Anteile bei der Fußball- und Turner-Jugend liegen. Die Elterngeneration sei bislang kaum für eine Mitgliedschaft zu gewinnen. Beim ASV Neumarkt profitiert die Ringerabteilung davon, dass Ringen im Ostblock Schulsport war. Jugendleiter Josef Thumshirn gab zu bedenken, dass 90 Prozent der Neumarkter Sportvereine keine eigenen Sportstätten haben und die Hallen ausgelastet sind: Neue Angebote könnten am Platzmangel scheitern. Hier sah Conny Baumann die Kommunen in der Pflicht.

Noch Zukunftsmusik

Für den SV Höhenberg ist das Thema Integration noch Zukunftsmusik: Trotz massiver Jugendwerbung gibt es hier praktisch keine Migranten. Anders sieht es bei den „Neumarkt Eagles“ aus: Die integrative Eislaufschule hat hohen Zulauf, auch der aus Kasachstan stammende Trainer hat viele Neumitglieder angezogen.

Jochen Hegel (Turn- und Artistikverein) plädierte für eine engere Zusammenarbeit mit den Schulen. Seiner Erfahrung nach finden Schüler, die am Schulsport Interesse haben, kaum den Weg in die Vereine. ADFC-Kreisvorstand Rainer Zimmermann bot an, Fahrradschulungen zu übernehmen.

Selman Bal, Vize-Vorsitzender der Türkisch-islamischen Gemeinde, sieht angesichts der Tatsache, dass 50 Prozent der neugeborenen Kinder einen Migrationshintergrund haben, Integration durch Sport als wichtiges Thema an. Zugleich gab er zu bedenken, dass Mitgliederschwund ein gesamtgesellschaftliches Problem sei. Das Fitnessstudio habe dem Sport in der Gesellschaft den Rang abgelaufen. „Es ist nötig, aktiv auf die Menschen zuzugehen“, so sein Fazit.

Rainer Hortolani regte an, Sportvereine in den Integrationskursen der VHS vorzustellen und Angebote für Erwachsene zu starten: Sport als Freizeitbeschäftigung und die Organisation im Sportverein seien für viele Migranten erklärungsbedürftige Konzepte. Er wünschte den Vereinen Erfolg bei der Entwicklung von Strategien, um das Potenzial der Menschen mit Migrationshintergrund zu erschließen.

www.sportintegration.de

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