Stefan sorgt täglich für das richtige Wetter

7.6.2006, 00:00 Uhr
Stefan sorgt täglich für das richtige Wetter

Morgens um sieben Uhr klingelte bei Konrektorin Sabine Bodenmeier in ihrer Wohnung das Telefon. Dran war Jörg Kachelmann, prominenter Wetterexperte aus dem Fernsehen, mit einer dringenden Bitte. Die Pädagogin solle doch bitte rasch einen Blick aus dem Fenster werfen. Hing über Postbauer-Heng wirklich eine geschlossene Wolkendecke?

Lehrerin Bodenmeier konnte den Mann beruhigen, der stets nach den ARD-Nachrichtensendungen vor laufender Kamera mit ausladenden Gesten und wippenden Schritten selbst die grauslichste Prognose mit Verve zu präsentieren vermag. Ja, über Postbauer zog sich gerade der Himmel zu. Zum Glück, seufzte Kachelmann, «sonst würden Eure Werte glatt aus dem Rahmen fallen“.

Die Werte: Sie fallen buchstäblich vom Himmel und landen in der eher unscheinbaren Wetterstation an der Erich-Kästner-Schule. Der rohrförmige Regenmesser auf dem umzäunten Rasenstück hinter dem Schulgebäude sammelt das Nass. Ausgestattet mit einer Heizspirale, wandelt er auch den Schnee in Wasser um. Der Bodenfühler misst knapp über der Erde die Temperatur, die Sonden auf dem Dach des Schulgebäudes registrieren Wind und Windrichtung, Sonnenscheindauer, Luftfeuchtigkeit.

In den nüchternen Geräten verbirgt sich höchste Präzisionstechnologie. «Mehrere 10 000 Euro“ habe die Marktgemeinde Postbauer-Heng inzwischen in die 1999 eingerichtete Station gepumpt, sagt Konrektorin Bodenmeier anerkennend. Erst im vergangenen Sommer wurden die Geräte ausgetauscht, denn Jörg Kachelmanns Unternehmen Meteomedia AG besteht als Betreiber der Wetterstation auf dem neuesten Stand der Technik.

Die Einrichtung muss täglich gewartet werden. Dafür hat Pädagogin Bodenmeier in ihrer jetzigen 10. Klasse einen echten Spezialisten gefunden: Stefan Inzenhofer, 16 Jahre alt, aus Köstelbach. Fachmännisch nimmt Stefan den Regenmesser auseinander und deutet auf die kleine Wippe im Innern, die jedes Tröpfchen zum Schwingen bringt. «Wenn zum Beispiel eine Spinne über den Regenmesser läuft, wird‘s gleich als Regentropfen registriert“, erläutert Stefan die sensible Technik. Dass dies nicht passiert und verfälschte Daten zur Zentrale der Meteomedia AG übertragen werden, dafür trägt er die Verantwortung.

Täglich sieht er nach den Geräten, schneidet das Gras unter dem Temperaturmesser, damit der Fühler stets fünf Zentimeter «Luft“ zum Boden hat. Er sieht nach den Sonden auf dem Dach und schaut vor allem, was der «Datenlogger“, an dem alle Drähte zusammenlaufen, an Werten speichert und an den Computer weitergibt.

Denn: Sind die Werte aus Postbauer-Heng — die einzige Station der Meteomedia AG zwischen Fürth und Regensburg — besonders auffällig, tauchen die Angaben auch nicht in den abendlichen Kachelmann-Wetternachrichten auf. «Da ist die Firma knallhart. Die schmeißen uns raus, wenn an einem einzigen Tag etwas nicht geklappt hat“, berichtet Bodenmeier.

Sie lobt deshalb die Arbeit von Stefan Inzenhofer in den höchsten Tönen, der Verantwortung für etwas übernommen habe, «das viel Geld gekostet hat“. Selbst in den Ferien radelt der junge Mann, der einmal Zerspanungsmechaniker werden will, zur Schule. Er sieht nach den Geräten, studiert die Computeranalysen.

108,2 Liter Regen pro Quadratmeter habe der Mai 2006 den Bewohnern von Postbauer-Heng beschert, listet Stefan auf. Verglichen etwa mit Mai 2001, wo es nur 47,8 Liter/Quadratmeter goss, eine große Menge. Doch im Mai 2004 regnete es mit 90,7 Liter/Quadratmeter ähnlich viel. Und dass der Wonnemonat in diesem Jahr schon einmal mit warmen 25,8 Grad Celsius aufgewartet hat (am 22., nachmittags um 14 Uhr), daran erinnert sich wohl außer Stefan kaum jemand.

Seine Handynummer besitzt auch die Göttinger Hersteller-Firma der Klima-Geräte. Sie registriert ebenfalls jede Auffälligkeit der Daten. Lassen sie sich nicht sofort erklären, etwa mit dem besagten Blick zum Himmel, so muss Stefan per telefonischer Regieanweisung kleine Sicherungen auswechseln oder andere technische Handgriffe erledigen. Falschmeldung ausgeschlossen. Die «sehr genauen Angaben“ der Station haben sich nach Aussage von Bürgermeister Hans Bradl schon mehrfach zum Vorteil der Marktgemeinde ausgewirkt. Weil mit ihrer Hilfe nachgewiesen wurde, dass sich häufig am Dillberg die Wetterfronten «abregnen“, erhielt die Gemeinde beispielsweise die gewünschte hohe staatliche Förderung für den Bau von Regenrückhaltebecken. Auch sonst hält er die Arbeit an der Schule — im Unterricht ist das Wetter immer öfter Thema — für eine «gute Sache“, die Investition für lohnenswert.

Doch jetzt hat die Erich-Kästner-Schule ein ganz anderes Problem: Nach den Pfingstferien schreibt Stefan Inzenhofer seine Mittlere-Reife-Prüfung und verlässt die Einrichtung. Wer wird dann der Wetterfrosch? Konrektorin Bodenmeier wiegt bedächtig den Kopf. Noch ist die Nachfolge für «dieses Hobby“ offen. Ihr Schüler Stefan hat einstweilen ein 22-Seiten starkes Handbuch verfasst, das übersichtlich und einprägsam den Umgang mit dem Wetter-Computer schildert. Jörg Kachelmann hat auf seine Weise bereits «gut Wetter gemacht“: Er hat zugesagt, zum Kauf des neuen Daten-Rechners im neuen Schuljahr die Hälfte der Summe beizusteuern.