Stiefvater soll Jugendliche jahrelang missbraucht haben

16.1.2017, 18:00 Uhr

Von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 61 Fällen ist in der Klageschrift die Rede – und zu Prozessbeginn wird klar: Diese Vorwürfe sind offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Sex mit dem Stiefvater soll für Anja M. (Name geändert) trauriger Alltag gewesen sein.

Staatsanwalt Matthias Engelhardt wirft dem Mann aus dem Landkreis Neumarkt vor, sich bereits im August 2011 an seiner Stieftochter vergriffen zu haben, damals war das Mädchen noch nicht einmal 14 Jahre. Angeblich schauten sie damals gemeinsam einen Zeichentrickfilm; diese Situation im Wohnzimmer soll der 46-Jährige ausgenutzt haben. Daher wirft ihm die Anklage auch sexuellen Missbrauch von Kindern in zwei Fällen vor.

Die angeblichen Übergriffe kamen ans Licht, als sich Anjas Mutter an eine Anwältin wandte, sie hatte die Scheidung eingereicht. Sie war mit dem Angeklagten in zweiter Ehe verheiratet, aus ihrer ersten Ehe hat die Frau drei Kinder. Im Zuge der Gespräche mit der Familienanwältin schilderte die Mutter, dass sie schon länger den Verdacht hegte, dass es zwischen ihrem Noch-Ehemann und der Tochter ein schreckliches Geheimnis gab. Gegenüber der Anwältin packte in den folgenden Monaten auch Anja aus. Vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth tritt besagte Rechtsanwältin – Anja hat sie vor ihrer Schweigepflicht entbunden – als erste Zeugin auf.

Vertrauen erschlichen

Treffen ihre Schilderungen zu, hat sich der Angeklagte erst das Vertrauen des Mädchens erschlichen, Anja dann regelrecht erpresst. So hatte sie dem Stiefvater gebeichtet, dass sie erstmals Alkohol getrunken hatte und verliebt sei – er soll sie gezwungen haben, ihm alles zu zeigen, was sie mit dem Jungen getan hatte. Angeblich könne sie von ihm viel lernen. Auch soll er, so die Zeugin, die Übergriffe gefilmt und Anja M. gedroht haben, die Videos ins Internet zu stellen, würde sie ihm nicht weiter zu Willen sein. Je älter Anja wurde, desto mehr forderte er angeblich. Zwischen Februar und August 2015 soll er sie zweimal in der Woche zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben.

Die Strafkammer rechnet derzeit mit drei Verhandlungstagen, Ende Januar wollen die Richter das Urteil sprechen. Zu Prozessbeginn stand eine Vereinbarung im Raum: Gegen ein Geständnis hätte der Angeklagte mit einem milderen Urteil rechnen dürfen, Anja hätte dies die Aussage vor Gericht erspart. Doch er lehnt ab. Dass er dem Mädchen Gewalt antat, sieht er nicht. Er spricht vielmehr von einer "Beziehung".