Stimmenkönig Füracker gibt "Familienstreit" die Schuld

16.10.2018, 06:00 Uhr
Stimmenkönig Füracker gibt

© Foto: Matthias Balk/dpa

Diesen Satz hat er gerne gesagt, Hans Spitzner, Staatssekretär zu Streibls und Stoibers Zeiten und Urgestein der CSU im Landkreis Neumarkt: "Aus dem Albert wird noch einmal was", sagte er dann, auch sich selbst ein wenig lobend, das habe er schon dessen Mutter erklärt, als diese Zweifel an der Karriere ihres Sohnes hatte. Aus "dem Albert" ist etwas geworden, mit Markus Söder hat er sich durch die Instanzen der Jungen Union bis ganz nach oben gearbeitet an die Spitze der CSU und der Staatsregierung.

Als Finanzminister ist er in den Schicksals-Wahlkampf gezogen, wohl wissend, dass sich das Unabwendbare wohl doch nicht mehr abwenden lässt, so sehr er auch dagegen ankämpft: Denn das hat er getan, sein Ergebnis im Stimmkreis Neumarkt ist das beste der CSU im ganzen Land. Mit 50,32 Prozent der Erststimmen hat er sein Ergebnis von vor fünf Jahren mit 56,65 zwar verpasst, aber wer in der CSU – oder gar in der SPD – würde sich über einen Verlust von nur sechs Prozent bei dieser Wahl nicht freuen? Zumal es Füracker auch im Landkreis gelungen ist, die Verluste der CSU im erträglichen Maß zu halten; 44,13 Prozent sind es da bei den Zweitstimmen geworden, 56,13 Prozent waren es 2013. Mit diesem Ergebnis bayernweit würde die CSU jubeln.

Doch zurück zum Wahlkampf: Nach der Wahl Söders zum Ministerpräsidenten und Fürackers Aufstieg vom Staatssekretär im Finanzministerium an dessen Spitze starteten der 50-Jährige und mit ihm die Kreis-CSU so richtig durch. Was an Ministern aus München durch den Landkreis reiste, das konnte sich sehen lassen; Alois Karl, CSU-Kreisvorsitzender, setzte zudem in Berlin alle Hebel in Bewegung, um hochrangige Gäste für den Landkreis zu gewinnen; so gab unter anderen ein Jens Spahn seine Visitenkarte im Neumarkter Ärztehaus ab.

Mittendrin und omnipräsent Albert Füracker. In einem ruhigen Moment verriet er, dass das auch sein Amtssitz in Nürnberg möglich mache. Den hohen Druck, unter dem er stand, spürte man in solchen Momenten nur durch den unablässigen Griff zum Smartphone, auf dem Nachrichten oft im Sekundentakt aufliefen.

Ob Jubilarehrung, Einweihung, Parteiveranstaltung, Messe: Der Degerndorfer war da. Aber nicht nur im Landkreis, er war bayernweit im Einsatz. Was bei den Bürgern in der Region dabei besonders gut ankam, war die Tatsache, dass der Minister oft auch im eigenen Wagen vorfuhr, sich immer geerdet zeigte. Oft keine Krawatte um den Hals, die oberen Hemdknöpfe leger offen, Jeans zum feinen Zwirn, so mischte er sich unter die Bevölkerung und hatte auch immer ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte. Dass er dabei auch gerne ohne Personenschutz unterwegs war, nahmen viele erstaunt wahr — aber eben positiv erstaunt. So schlenderte er zur Eröffnung der Jobmeile alleine durch die Hallertorstraße zum Podium am Rathausplatz.

Unprätentiös auch sein Auftritt bei der Stimmabgabe in Lupburg. Mit Frau Evelyn kam er im Familienauto vorgerollt, schüttelte noch ein paar Hände, hatte ein paar Minuten Zeit für eine Frau, die ihn mit den Worten "habt ihr euch das gut überlegt" auf die Seite zog. Gewählt war dann schnell.

Er habe bisher einen ganz normalen Sonntag hinter sich gebracht, sagte Albert Füracker. Aufgestanden, Frühstück, nichts Großes, etwas Post erledigt. Schön sei es, sagte er, wenn die Wahlbeteiligung hoch sei, das sei ein Zeichen für eine lebendige Demokratie. Was er nicht sagte: Der CSU hatte es in der Vergangenheit immer geschadet, wenn viele zur Urne gingen, denn es waren meist die Gegner, die da mobilisieren konnten.

Füracker selbst hat in seinem Stimmkreis jedenfalls mobilisiert, was sich unter diesen Bedingungen mobilisieren lässt. Wie es weitergeht, ist derzeit offen. Ob es eine Koalition mit den Freien Wählern geben wird und diese, wie von Parteichef Hubert Aiwanger gefordert, das Heimat- und Bildungsministerium, womöglich gar das Finanz- oder Innenressort bekommen, darauf will sich Füracker nicht festlegen. "Bei Koalitionsverhandlungen werden nicht zuerst die Ressorts verteilt, sondern man muss sich erst mal inhaltlich einigen", sagt er. Ob das mit den Freien Wählern gelinge, stehe in den Sternen.

Die CSU werde mit allen Parteien außer der AfD in Sondierungen gehen. "Wir werden mit dem Partner koalieren, mit dem wir die meisten unserer Vorstellungen durchsetzen können", gibt Füracker vor. Es gelte in erster Linie, möglichst schnell eine stabile Regierung zu bilden.

Ein Weiter so, da stimmt der Finanzminster zu, könne es nicht geben. Bei der Suche nach Ursachen für das Wahldebakel widerspricht er dem Ergebnis der Wahlforscher, dass 47 Prozent der Menschen in Bayern der CSU unterstellen, sie habe ihre christlichen Überzeugungen aufgeben. Da sei schon eher der Streit innerhalb der Unionsfamilie über das immer gleiche Thema, die Flüchtlingspolitik, schuld. "Streit hat noch nie zu guten Wahlergebnissen geführt", sagt Füracker. Das habe man schon bei der Bundestagswahl sehen können. Hier müsse die Union alles tun, um Vertrauen zurückgewinnen.

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