Stolpersteine erinnern an Neumarkter Opfer des Holocaust

5.10.2017, 14:00 Uhr
Stolpersteine erinnern an Neumarkter Opfer des Holocaust

© Foto: André De Geare

Vom Ergebnis der Bundestagswahl, dem Rechtsruck in der Gesellschaft, spinnt Bürgermeisterin Gertrud Heßlinger einen Faden zu den frühen 30er Jahren: "Wehret den Anfängen", mahnt das Mitglied der Initiative Stolpersteine. Um sogleich auf das große Engagement der Ostendorfer-Gymnasiasten zu verweisen, die in einem P-Seminar die Initiative auch im kommenden Jahr wieder bei den Recherchen unterstützen werden.

Es ist eine Puzzlearbeit: In Archiven, Bibliotheken, im Internet und über Zeitzeugen tragen die Schüler und die Mitglieder der Initiative mühsam Details zu den Biographien Neumarkter und Sulzbürger Juden zusammen. Name, Geburtsjahr und das in den allermeisten Fällen erschütternde Schicksal – Jahr und Ziel der Depotration und, wenn bekannt, der Tag der Ermordung – sollen einmal in den Messingüberzug der "Stolpersteine" eingraviert werden. Der Künstler Gunter Demnig hat davon bereits über 61 000 in 22 Ländern eingepflastert.

71 Jahre nach Kriegsende wurden auch in Neumarkt und Sulzbürg, wo über Jahrhunderte Juden lebten, die ersten Gedenksteine eingelassen: Einer erinnert an die Sulzbürger Synagoge, fünf weitere am Oberen Markt in Neumarkt an die jüdische Familie Hahn. Gestern kündigte nun Heide Inhetveen, die Vorsitzende der Initiative Stolpersteine im Landkreis Neumarkt, die Verlegung der nächsten 17 Granitwürfel an.

Am Montag, 16. Oktober, wird um 13.30 Uhr auf diese eindrucksvolle Art fünf Mitgliedern der Händlerfamilie Weil am Schlossberg 2 in Sulzbürg gedacht. Rebekka Weil, ihr Sohn Leopold und dessen Frau Bertha kamen in Auschwitz und in Theresienstadt ums Leben. Ihr Sohn Lazarus gelang die Flucht in die USA, das weitere Schicksal der deportierten Tochter Cäcilie ist unbekannt.

Um 15 Uhr ist Gunter Demnig dann bereits in Neumarkt, wo die Hauptveranstaltung am Oberen Markt 39 stattfindet. Dort führte Semi Haas einst ein Kurzwarengeschäft. Semi, seine Frau Frieda und seine Tochter Ilse starben in lettischen Lagern. Sohn Walter kam mit einem Kindertransport nach Amerika. Der zwei Jahre ältere Ernest überlebte KZ und Todesmarsch und emigrierte später auch in die Staaten. Seine Frau Myrna und seine Söhne haben sich zu der Feierstunde angesagt, die wieder von Musik begleitet wird.

Im Anschluss geht es in die Bahnhofstraße 13, wo der Viehhändler Kurt Baruch mit seiner Frau Henriette und Sohn Herrmann lebte; alle drei wurden 1942 im KZ Piaski im damals von Deutschland besetzten Polen ermordet. Die letzten vier Stolpersteine werden um die Ecke in der Stephanstraße 17 einbetoniert. Hier wohnte Semis Vater Seligmann Haas, Albert Haas sowie Leopold und Rosa Löw. Leopold Löw starb im Frühjahr 1939 an den Folgen einer schweren Misshandlung in der Pogromnacht, seine Frau wurde aus Theresienstadt befreit.

Auch andere Opfergruppen des Dritten Reichs will die Initiative nicht vergessen. Derzeit forscht Heinz Rösch über die "T4-Aktion", die systematische Tötung von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen ab 1939. Rund 300 000 wurden im Namen der "Rassenhygiene" umgebracht. Fünf Opfer aus dem Landkreis Neumarkt hat Rösch bei seiner Recherche bisher gefunden.

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