Tierliebe bringt den Gerichtshof ins Schwitzen

30.11.2015, 11:05 Uhr
Tierliebe bringt den Gerichtshof ins Schwitzen

© Paul Zinken / dpa

Nadine Bösl hätte sich nicht im Traum ausmalen können, dass ihre nächtliche Rettungsaktion noch zweieinhalb Jahre später die Gerichte beschäftigen würde. In jener Nacht im Juli 2013 war die Daßwangerin mit ihrem Freund auf der Heimfahrt von einer Party.

Es war schon weit nach Mitternacht. Bei Rocksdorf lag eine Katze leblos auf der Straße. Tot war sie aber noch nicht: "Als sie das Auto bemerkt hat, hat sie den Kopf gehoben", erzählt Nadine Bösl, die zwar selber Hunde hat, aber sich nicht gerade als Katzenfreundin bezeichnen würde: "Schon allein deswegen, weil ich gegen Katzenhaare allergisch bin."

Eine Zwickmühle, in die jeder Mensch geraten kann, der das schwerverletzte Tier vor seinem Augen nicht einfach beiseite wischen kann: Liegen und leiden lassen oder Mitleid haben und ihm helfen? Für Nadine Bösl kam einfach weiterfahren nicht in Frage. Sie hob die hilflose Katze ins Auto.

Und gleich das nächste Problem: "Mein Tierarzt in Parsberg war auf einem Seminar." Die einzige Alternative, die ihr einfiel, war eine Tierklinik in Regensburg, in der sie mit ihren Hunden auch schon einmal gewesen war.

Ein weiter Umweg: Zwei Uhr war schon vorbei, als die Tierretter in der Klinik ankamen. "Dort hat man mir gesagt, dass für die Kosten der Behandlung von gefundenen Tieren die jeweilige Gemeinde aufkommt."

Bedingung: Die Finderin musste den Vorfall sofort der betroffenen Gemeinde melden oder, wenn diese nicht zu erreichen ist, der zuständigen Polizeidienststelle. Also rief Nadine Bösl die PI Neumarkt an und gab den genauen Fundort durch. Dann fuhr sie heim. "An den beiden folgenden Tagen habe ich noch zweimal in der Klinik angerufen. Erst hieß es, dem Kätzchen geht es besser. Dann mussten sie es aber doch einschläfern."

Ein juristisches Problem

Eine traurige Erinnerung für die Daßwangerin - die sie am vergangenen Mittwoch beim Blick ins Internet wieder einholte. Dort las sie auf der Seite der Neumarkter Nachrichten, dass sich die Gemeinde Mühlhausen noch heute mit der Regensburger Tierklinik herumschlägt, die auf den Behandlungskosten in Höhe von 465 Euro nicht sitzen bleiben will.

Das Verwaltungsgericht Regensburg war der Argumentation der Gemeinde gefolgt, wonach die Finderin sich vor dem Tierarztbesuch nicht mit der Verwaltung besprochen habe. Die Klinik zog daraufhin vor den Verwaltungsgerichtshof München, wo am Mittwoch die mündliche Verhandlung gleich in vier gleichgelagerten Fällen stattfand.

"Juristisch heikel", nennt der Neumarkter Rechtsanwalt Bernd Söhnlein, der die Gemeinde Mühlhausen vor Gericht vertritt, die Angelegenheit. Rein rechtlich handele es sich bei der ungechipten und nicht tätowierten Katze, deren Besitzer bis heute nicht gefunden wurde, um eine Fundsache, sagt der Jurist. Dafür sei aber die jeweilige Gemeinde zuständig und demnach zu informieren. "Man hat auch noch die Möglichkeit, sie bei der Gemeinde abzugeben."

Bei einer schwerverletzten Katze und mitten in der Nacht sicherlich ein Problem, gibt Söhnlein zu. Da der Tierschutz seit 2002 Verfassungsrang habe, wollten sich die Richter am Verwaltungsgerichtshof erst einmal eingehend beraten, bevor sie ein - wahrscheinlich sogar für die Rechtsprechung richtungsweisendes - Urteil fällen. Anfang dieser Woche dürfte es soweit sein, schätzt Söhnlein.

Der Anwalt, selbst Kreisvorsitzender des Vogelschutzbundes, rechnet der Finderin ihren persönlichen Einsatz für das verletzte Tier aber hoch an. "Was hätte ich denn tun sollen?", schildert Nadine Bösl ihr Dilemma. "Der Katze den Schädel einschlagen? Sie liegen lassen und drauf hoffen, dass wer anderes nochmal drüber fährt und sie erlöst wird?"

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