Todesmarsch der KZ-Häftlinge

17.7.2015, 09:45 Uhr
Todesmarsch der KZ-Häftlinge

© Foto: Jutta Riedel

Pfarrer Gerhard Ehrl hatte Karl Graml und seine Schwester Pauline Bodenloher, Willi Graf, Josef Gruner, Johann Renner und Barbara Fruth in die Schule eingeladen; sie hatten als Kinder die Kolonnen der Häftlinge mit eigenen Augen gesehen.

Die neunten Klassen hatten sich im abgelaufenen Schuljahr mit der Thematik auseinandergesetzt, sagte Rektorin Gunda Köstler, und hatten auch das KZ Flossenbürg besucht. Nun hatten die Schüler die Gelegenheit, aus erster Hand Berichte über die Nazi-Gräuel zu hören.

Köstler skizzierte den Weg des Marsches und erläuterte die Hintergründe für den Aufbau des Konzentrationslagers in Hersbruck, wo unterirdisch in Stollen Flugzeugmotoren gebaut werden sollten – eine „schwere, körperliche Arbeit“, die bei „völlig unzureichender Ernährung“ geleistet werden musste.

Nach Dachau wurden die Häftlinge geschickt, damit sie nicht in die Hände der Amerikaner fielen, berichtete Köstler; 1200 bis 1600 kranke Häftlinge verfrachteten die Nazis in Güterwägen nach Dachau, die übrigen wurden zwischen dem 8. und dem 14. April 1945 zu Fuß in fünf Kolonnen mit je 600 Gefangenen „in Marsch gesetzt“. Häftlinge, die vor Erschöpfung nicht weiter konnten, wurden entweder liegengelassen oder erschossen. Vier Kolonnen mit 2103 Häftlingen erreichten ihr Ziel am 26. April, die fünfte wurde in Schmidmühlen von den Amerikanern befreit.

Mangelnder Respekt

„Vergessen ist mangelnder Respekt vor den Leiden der Opfer“, zitierte Köstler eine spanische Fernsehmoderatorin und leitete über zu den Flüchtlingen von heute, „die man nicht haben will“. „Die kommen auch nicht freiwillig zu uns“, sagte die Rektorin und appellierte, „nicht die Augen davor verschließen“.

Wie schon im Rahmen des ökumenischen Gedenkens zum 70. Jahrestag des Todesmarsches, schilderten die Zeitzeugen ihre Erinnerungen an die Häftlinge, als diese auf ihrem Weg durch Lauterhofen zogen. Dabei erinnerten sie sich insbesondere an den Hunger, den diese Menschen litten und die Versuche einiger beherzter Bürger, die Not mit der Verteilung von Nahrungsmitteln „unter Einsatz des eigenen Lebens“ zu lindern.

Auch berichteten die Zeugen, dass die Nazis Hunde auf flüchtige Häftlinge hetzten; auch hatten sie erlebt, wie die Wachmänner einen Häftlings erschossen; in Muttenshofen verbrannten sie tote Häftlinge, tagelang habe der Geruch über dem Dorf gestanden.

Unbegreiflich erschien Lehrern und Schülern, dass die Bürger über die Häftlinge und KZ nichts gewusst haben. „Wir wussten nichts, nur, dass das Kriegsgefangene sind“, sagte Karl Graml, „wir wussten nicht, dass es in Hersbruck ein KZ gab.“

In der näheren Umgebung von Happurg habe man das „sehr wohl gewusst“, sagte Pfarrer Ehrl, einige Bürger arbeiteten sogar dort, hätten aber nichts sagen dürfen. „Halt’s Maul“ sei die Parole gewesen damals, man habe nicht gewusst, wer für oder gegen die Nazis sei.

Zugang zu irgendwelchen Medien habe man nicht gehabt, Informationen gab es nur über den Rundfunk, aber „die waren gefiltert“. Tageszeitungen gab es nicht für alle, lediglich Bürgermeister und NSDAP-Gruppenleiter verfügten darüber. Nie sei in der Schule darüber gesprochen worden. Später erst habe es Informationen über ausländische Zeitungen gegeben, die für die Deutschen eigens gemacht wurden, oder über Flugblätter, die abgeworfen wurden.

Die Lehrkräfte an den Schulen hätten allerdings immer wieder versucht, die Kinder auszuhorchen, man habe sich „nicht getraut, mit anderen zu sprechen“. Der Nationalsozialismus sei in der Schule „immer nur verherrlicht worden“, glorifizierende Lieder mussten gelernt werden, sagte Pauline Bodenloher.

Das sei ein „autoritäres System“ gewesen, Gehorsam galt als oberstes Gebot. Auch das Misstrauen unter Verwandten und Bekannten sei sehr hoch gewesen. „Nehmt was mit von den Aussagen“, appellierte Pfarrer Ehrl, „das kann jederzeit wieder passieren; lasst euch nicht von Industrie, Politik oder Medien abspeisen.“

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