Viele IHK-„Zwangsmitglieder“ zahlen nichts

17.4.2014, 12:00 Uhr
Viele IHK-„Zwangsmitglieder“ zahlen nichts

© André De Geare

Beschwerden der Kammerreformer gegen diese Zwangsmitgliedschaft, unter anderem des Bundesverbandes der freien Kammern, hatten die Karlsruher Richter bisher immer ignoriert. Doch nun ist alles anders: Laut SZ-Bericht hat jetzt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts Verbände, den Bundestag und Ministerien zur Stellungnahme zu einer neuerlichen Beschwerde aufgerufen; zwei Obergerichte haben laufende Verfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung der Verfassungsrichter abzuwarten.

„Mir ist nicht bange“, sagte IHK-Vizepräsident Stefan Rödl, der auch Vorsitzender des Neumarkter Kammergremiums ist. „Ich bin auch deshalb gelassen, weil eine Entscheidung vielleicht dazu beiträgt, die Diskussion zu befrieden.“

Die hin und wieder kritisierte „Zwangsmitgliedschaft“ muss man nach Ansicht von Stefan Rödl im Verhältnis zu den Leistungen der IHK sehen. Dreh- und Angelpunkt sei hier die hoheitliche Aufgabe der beruflichen Ausbildung. Die Aufgabenstellung der Kammer: Sie müsse branchenübergreifend, verbandssunabhängig und im Sinn der Wirtschaftsunternehmen diese Qualifikationsleistung erbringen. Stefan Rödl: „Die Kammern können das nur leisten, wenn man alle Gewerbetreibenden unter einen Hut bringt.“

Diese Anstrengung lohne sich angesichts des europäischen Vergleiches: „Das Ausland schaut neidisch auf das deutsche System, die Qualität der Lehrlingsausbildung ist mit Abstand am höchsten.“

Staffelung nach Ertrag

Von einem Abkassieren der Betriebe könne angesichts der sehr differenzierten Beitragsstruktur, der Befreiungen und der dreimaligen Senkung in kurzer Zeit keine Rede sein, so der IHK-Vize. Tatsächlich verlangt die Regensburger Kammer (gemeinsam mit München) die niedrigsten Beiträge im Freistaat: Der Grundbeitrag für Firmen, die nicht ins Handelsregister eingetragen sind, beläuft sich auf 25 Euro pro Jahr. Der durchschnittliche IHK-Beitrag: etwa 150 Euro. Die Staffelung orientiert sich am Gewerbeertrag. Wer beispielsweise nicht mehr als 5200 Euro pro Jahr erwirtschaftet, der zahlt ebenso wie Existenzgründer nichts.

Rund 45 Prozent der „Zwangsmitglieder“ sind so vom IHK-Mitgliedsbeitrag freigestellt — und können dennoch die Beratungsleistungen der Kammer in den Bereichen Recht, Steuern, Firmengründung und Bildung in Anspruch nehmen, obwohl sie nichts zu dem gesamten Beitragsaufkommen von rund zehn Millionen Euro beisteuern. Allerdings bestreitet die IHK nur etwa 65 Prozent ihres Haushaltes aus den Mitgliedsbeiträgen. Der Rest addiert sich aus Gebühren und Einnahmen aus Weiterbildungskursen.

Der Neumarkter Einzelhändler-Sprecher Josef Achatz sagt ausdrücklich „Ja“ zur „Zwangsmitgliedschaft“. Sonst würden viele Unternehmen versuchen, die Leistungen der IHK als „Trittbrettfahrer“ kostenlos zu bekommen. Wenn sich die Kammer nicht um hoheitliche Aufgaben wie Ausbildung und Prüfungen kümmere, dann müsse dies der Staat machen. Und das komme teurer. Achatz: „Ich zahle lieber weniger als mehr.“

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