Vom Suchen und Finden des närrischen Kaisers

20.2.2014, 06:00 Uhr

Fritz Koller sitzt in seiner Küche und erzählt lustige Geschichten aus seiner Kindheit. Er sei schon immer ein Faschingsfan gewesen. Die ganze Familie habe die närrischen Tage geliebt. Er ist fröhlich, wirkt ausgeglichen, hat den Schalk in den Augen und zählt die Tage bis zum Unsinnigen Donnerstag, der heuer am 27. Februar ist. Fritz Koller ist im „normalen“ Leben Büroangestellter. Im Fasching wird er zu Ko-Houang-Di, Kaiser des närrischen Volkes.

 

Seit 1928 etabliert

 

Koller ist seit 2001 Kaiser von bayerisch China. Die Ursprünge des Chinesenfaschings gehen freilich weiter zurück. Seit 1928 gibt es ihn, zurückgehend auf die Chinesenverkleidung der Hansen-Kapelle. Die erste Kaiser-Krönung wurde 1954 vollzogen. Damals war Koller noch ein Baby. Kaiser der ersten Stunde war Egid Prock. Schon damals war der Fasching ein Spektakel, nur viel kleiner. Ein Fest für die Bevölkerung aus dem Einzugsgebiet. Prock hielt zwar eine Kaiserrede, ein vorgefertigtes Manuskript hatte er nicht. Er sprach frei von der Leber weg zu seinem närrischen Volk. Eine Hymne gab es aber schon. Die schrieb übrigens Valeria Beckenbauer, die Tante von Franz Beckenbauer. Der Kaiser war im richtigen Leben Malermeister. Somit war der Name „Ma-Ler-Gie“ schnell gefunden. „Das klang irgendwie chinesisch“, sagt Koller.

Zweiter Kaiser war Jakob Meier, in der Faschingszeit auch Ma-Ya-Ki genannt. Er war nur gut 1,55 Meter groß, arbeitete in der Schlossbrauerei Wildenstein. Seine Krone war aus Pappe, der aufgeklebte Bart stand unförmig ab. Mit einer Zigarettenspitze in der Hand thronte er auf der Bühne. Der dritte Kaiser hieß Gu-Ze-Rul, abgeleitet von Gustav Zerull. Ihm gehörte im wahren Leben eine Drogerie. Vier Jahre später bestieg die bislang einzige Kaiserin den Thron. Maria Linz, Ria-Ria-Lin-Cia, und Karl Werner, Ka-We-Son waren das Kaiserpaar 1967. Es gab sogar eine Kaiserhochzeit. Maria Linz hatte zuvor mit mehreren Bekannten aus Krepppapier Girlanden gebastelt, die in der Innenstadt aufgehängt wurden. „Beim ersten Kaiser war noch nix über die Straße gespannt“, sagt Koller. Die Kaiser saßen auf einem Jägersteig, das Podium war gerade einmal ein mal ein Meter groß. „Die haben sich heiser gerufen“, so Koller. Denn auch ein Mikrofon gab es damals nicht.

 

Kleine Pannen

 

Pannen sind immer wieder passiert. Einmal musste kurzfristig ein neuer Techniker einspringen. Er kam mit dem Kabelsalat nicht zurecht und plötzlich ging das Mikro nicht mehr.

Der Dietfurter Chinesenfasching, bei dem sich das Städtchen jedes Jahr am Unsinnigen Donnerstag von den frühen Morgenstunden bis in die Nacht hinein in ein buntes
„Bayrisch-China-Reich“ verwandelt, spielt auf eine alte Anekdote an: Der Bischof von Eichstätt schickte einst seinen Kämmerer nach Dietfurt. Er sollte nach dem Rechten sehen und die Steuern eintreiben. Die Dietfurter ließen ihn nicht durch die Stadttore – und der Kämmerer berichtete dem Bischof verärgert, die Dietfurter verschanzten sich „wie die Chinesen hinter ihrer Mauer“.

 

Bürgermeister fragte an

 

Einen Kaiser zu finden, war nicht immer leicht. Viele übten zwar das Amt mehrere Jahre aus, doch dann mussten die Organisatoren wieder auf Suche gehen. Ma-Ya-Muc, im richtigen Leben Werner Maier, wurde vom Bürgermeister persönlich zu einem Vier-Augen-Gespräch bestellt. Meier war Sparkassenangestellter und konnte dem Stadtoberhaupt den Wunsch nicht abschlagen, den Kaiserthron zu besteigen. „Er ist ein lustiger, humorvoller Mensch, der fünf Jahre Kaiser war“, sagt Koller. Es gab noch die Kaiser Egid Schweiger, Anton Bachhuber (Wang-Ton) und schließlich 1976 Boo-Da-Washy, besser bekannt als Hans Geyer. Geyer amtierte am längsten, nämlich 23 Jahre. „Das war ein eingefleischter Maschkerer.“ Als er verstarb, entbrannte 2000 die Diskussion, ob man in Dietfurt den Unsinnigen überhaupt noch so groß feiern sollte. Doch das Spektakel ist weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt, wird im Fernsehen ausgestrahlt. Es gab Besucherrekorde mit bis zu 30000 Menschen. Der Unsinnige Donnerstag gehörte einfach zu Dietfurt dazu.

 

Dietfurter Urgestein

 

Fritz Koller hat 27 Jahre lang Theater gespielt. Er konnte sehr gut vor Menschen sprechen, war ein Dietfurter Urgestein und im Faschingsreigen aktiv. So wurde er gefragt, ob er nicht Lust hätte, Kaiser von Bayrisch China zu werden. Lange musste Koller nicht überlegen, dann sagte er zu. 2001 bestieg er den Thron und nannte sich Ko-Houng-Di, abgeleitet von Huang Di.

Das (reale) chinesische Volk bezeichnet sich traditionell als Nachfahren Huang Dis, einer legendären Herrschergestalt aus grauer Vorzeit. Während früher das Bühnenprogramm oft per Zufall entstand, feilt Koller schon seit September an seiner Rede. „Das muss funktionieren“, sagt er im Hinblick auf die gut 20 000 Menschen, die ihm am 27. Februar zujubeln werden, wenn es wieder heißt: „Kille-Wau“.

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